Im »pöbel« oder »pofel« erkannten die Gelehrten bereits in der Frühen Neuzeit eine große Gefahr
für das Gemeinwesen: für die Ordnung des Staates aber auch für die Konventionen der
frühneuzeitlichen Gelehrtenrepublik selbst. Durch Mangel an Arbeitsfleiß und Bildungstrieb
stört der Pöbel seitdem immer wieder die soziale Ordnung. Wer oder was aber ist dieser Pöbel
von dem auch die Gegenwart wieder zu berichten weiß? Wer nannte wen wann und aus welchem Grund
»Pöbel«?Roman Widders Studie verbindet Sozial- Protest- und Literaturgeschichte um ein
fundiertes historisches Verständnis des Pöbels als Verwerfung arbeitender Armut zu entwickeln.
Gerade für die Dichtkunst war der Pöbel ein omnipräsentes Problem weil sich in ihm die
Prekarisierung des literarischen Lebens artikulierte. Verstanden als Sprechakt und figura - als
Sozial- und Redefigur gleichermaßen - fällt die Rede vom Pöbel nämlich auf den Sprecher zurück.
Die Exklusion der Ehrlosen aus dem literarischen Gewerbe zeugt deshalb keineswegs von der
elitären Autonomie der Urteilenden sie soll vielmehr den schwankenden Wert der eigenen Rede
steigern und bringt so die materiellen Voraussetzungen publizistischer Rede zur Sprache. Der
Pöbel als Figur der Poetik korrespondiert dabei in der Frühen Neuzeit mit verwandten Figuren
wie dem Pickelhering in der Komödie und dem Pikaro im Roman. In Texten u.a. von Opitz Gryphius
und Grimmelshausen zeigt Widder dass der Pöbel als Übersetzungsfigur zwischen symbolischem und
ökonomischem Kapital zu deuten ist. Dabei rückt besonders die massive Geldentwertung der
sogenannten Kipper- und Wipperzeit um 1620 in den Blick denn bereits hier ist die
Überschneidung politischer und literarischer Exklusionsbestrebungen exemplarisch greifbar. Im
Zuge der Formierung der bürgerlichen Gesellschaft zu Beginn des 18. Jahrhunderts kommt die
Entwertung arbeitender Armut (labouring poor) als »Pöbel« schließlich zur vollen Entfaltung.