Brutalistische Architektur lange Zeit gering schätzt und erst in jüngster Zeit von einer
jungen netzaffinen Generation von Architektur-Aficionados neu entdeckt war ein weltweites
Phänomen hat aber seine wohl wunderlichsten Betonblüten im ehemaligen Ostblock getrieben.
Während mehrerer Reisen durch Osteuropa spürte der französische Publizist Frédéric Chaubin
in zumeist peripheren Regionen des ehemaligen Sowjetimperiums architektonische Kolosse auf
die wie Kulissen zu Science-Fiction-Filmen erscheinen . Jenseits der genormten staatlichen
Sowjetmoderne scheinen sie durch ihren Nonkonformismus ihre stilistische Vielfalt und
regionale Extravaganz das Auseinanderbrechen der UdSSR bereits vorwegzunehmen. Ihre
Architekten nutzten die Freiräume die durch das Bröckeln der monolithischen Staatsstruktur
entstanden: Sie gingen weit über den Modernismus hinaus und fanden zu den Wurzeln des freien
Erfindens zurück . Die Wagemutigsten schufen Projekte von denen die Konstruktivisten nur
träumen konnten (Druschba Sanatorium Jalta) andere zeigten ihre Fantasie auf
expressionistische Weise (Hochzeitspalast Tiflis). Ein Sommercamp inspiriert durch
Modellskizzen einer Mondbasis offenbart suprematistische Einflüsse (Prometheus-Jugendlager
Bogatyr). Auch die sprechende Architektur war in den letzten Jahren der UdSSR weit verbreitet:
Chaubin fand in Kiew ein Krematorium das mit Betonflammen verziert war und ein
Forschungsinstitut mit einer abgestürzten fliegenden Untertasse auf dem Dach. Das "Haus der
Sowjets" in Kaliningrad wiederum scheint den Betrachter wie Big Brother zu beobachten.
Der eklektische Stilmix spiegelt die ideologischen Träume jener Zeit wider - von der
Weltraumbesessenheit bis zur Neuerfindung der eigenen Identität. Er zeigt auch die ungeheure
Weite der UdSSR und wie lokale Entwicklungen manch exotische Wendung nahmen bevor sie das Ende
des Landes mit herbeiführten.