Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach ob und unter welchen Umständen die Entstehung eines
Rechtssystems auch ohne staatliche beziehungsweise ohne eine übergeordnete Macht möglich ist.
Dazu werden auf Basis konflikttheoretischer Modelle Überlegungen zu einem Zyklus der
Zentralisierungsgrade der Rechtsdurchsetzung angestellt. Üblicherweise wird in der
Volkswirtschaftslehre davon ausgegangen dass bestimmte Güter öffentlicher Art nicht effizient
privat bereitgestellt werden können und demzufolge unter staatliche Lenkung fallen. Ein
Rechtssystem zählt ebenfalls dazu weil hohe Kosten der Rechtsdurchsetzung und Überwachung
anfallen. Allerdings kann die Funktionsweise von Institutionen nicht immer mit den weitläufig
verbreiteten Modellen erklärt werden. Ein Beispiel dafür ist die mittelalterliche lex
mercatoria bzw das ius mercatorum. Es handelt sich hierbei um ein Kaufmannsrecht welches
bindend für alle Kaufleute und losgelöst von jeglicher staatlicher oder obrigkeitlicher Bindung
Jahrhunderte lang das vorrangige Rechtssystem der Kaufleute bildete. Die Besonderheit liegt in
der dezentralen Entstehung dieses als Gewohnheitsrecht funktionierenden und von den Kaufleuten
selbst durchgesetzten Ordnungsrahmens. Innerhalb der immer größer und intransparenter werdenden
Gruppe von Kaufleuten erhielt sich entgegen der üblichen Annahmen eine effiziente
Selbstorganisation.