Die Geschichte des jüdischen Unternehmens M. Kempinski & Co. Berliner Traditionsbetrieb und
Namensgeber des weltberühmten Hotelkonzerns ist bislang noch weitgehend unbekannt. Zunächst
eine Weinhandlung gelang es den Kempinskis ihr Geschäft in der Gründerzeit zu einem der
führenden Gastronomiebetriebe Berlin auszubauen. Kempinski das war der Inbegriff für gehobene
Gastronomie in der noch jungen Hauptstadt. Die Eröffnung des Haus Vaterland am Potsdamer Platz
im Jahr 1929 schließlich war der Gipfel des Erfolgs und setzte neue Maßstäbe: ein
Restaurantgroßbetrieb der in zehn Themensälen Erlebnisgastronomie für ein Massenpublikum bot
und 3.500 Gäste bewirten konnte. Doch was Rezession und Wirtschaftskrise nicht erreichen
konnten besorgen anschließend die Nationalsozialisten: anhaltende Boykotte sowie die
wirtschaftliche Ausgrenzung trieben Kempinski an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Aufgeben
wollte die Inhaber ihren Familienbetrieb indes nicht: In verschiedenen komplizierten Aktionen
über Pachtkonstruktionen Vertragsklauseln und Strohmänner kämpften sie dafür zumindest einen
Rest des Unternehmens über die Nazizeit hinweg retten zu können. Ihre Handlungsspielräume
wurden dabei zunehmend kleiner. Doch die Kempinskis hatten prominente Unterstützung:
Rechtsanwalt des Unternehmens war kein Geringerer als Helmuth James Graf von Moltke
Mitbegründer der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis. Die Studie bietet zunächst einen
einleitenden Überblick über die Geschichte der Arisierungen sowie den gegenwärtigen Stand der
Forschung insbesondere für Berlin. Detailliert werden daraufhin die gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Ausgrenzungsprozesse beschrieben die zum wirtschaftlichen Ruin des
Unternehmens führten und die Inhaber zu Übernahmeverhandlungen zwangen. Auf der Basis von zum
Teil neuen Quellenmaterial werden dann die anschließenden komplexen Arisierungs-Vorgänge um
das Unternehmen Kempinski rekonstruiert ältere Forschungsergebnisse dabei revidiert.
Insbesondere die bislang kaum bekannte Funktion Graf von Moltkes im späten
Arisierungs-Verfahren wird neu beleuchtet. Moltke gelang es die staatlichen Stellen zu
täuschen und mittels einer getarnten Arisierung den Verkauf des Restunternehmens an die
Aschinger AG zu verhindern. Die Studie ist zum einen Unternehmensgeschichte und Fallstudie zur
Arisierung zum andern ein Beitrag zur jüdischen Wirtschaftsgeschichte Berlins. Obwohl zwei
Drittel aller deutschen Juden in Berlin lebten und die Stadt die führende Industrie- und
Handelsmetropole des Landes war ist das jüdische Wirtschaftsleben der Stadt sowie dessen
Auslöschung bislang kaum erforscht. Die vorliegende Studie leistet einen Beitrag um diese
Lücke zu füllen.