Ein entscheidendes Merkmal wissenschaftlicher Erkenntnis ist es dass sie uns etwas über die
Beschaffenheit der Welt mitteilt die weit über das was wir beobachten können hinausgeht.
Viele Wissenschaftstheoretiker setzen ein realistisches Verständnis der Naturwissenschaften
gemäß dem die am besten bestätigten Theorien und Forschungsergebnisse der reifen modernen
Naturwissenschaften eine zumindest annäherungsweise wahre Beschreibung der vom Menschen und
seinen Theoriebildungen unabhängigen physischen Wirklichkeit liefern voraus. Sie sehen es als
das Ziel von Wissenschaften an uns solche Erkenntnisse zu liefern und glauben dass Wissen
über Dinge die über das direkt Beobachtbare hinausgehen möglich ist. Mit dem Status der
naturwissenschaftlichen Theorien und insbesondere der Frage ob diese Theorien wirklich als
Ganze wahr sind befasst sich die Realismus-Antirealismus-Debatte. Ein zentrales Element für
diese Debatte ist die von Bas van Fraassen etablierte Beobachtbar unbeobachtbar-Unterscheidung.
Sie bezieht sich auf die Frage ob die physische Wirklichkeit für uns vollständig epistemisch
zugänglich ist und wir gerechtfertigte Aussagen darüber machen können ob unsere Theorien die
Wirklichkeit annäherungsweise korrekt beschreiben. Da sich unsere Theorien nicht ausschließlich
auf einen Bereich beziehen der sich unseren Sinnen erschließt sondern gerade auch Aussagen
über Entitäten gemacht werden die die Beobachtungsmöglichkeiten unserer Sinne transzendieren
entsteht die Kontroverse um den wissenschaftlichen Realismus. Während der beobachtbare Teil der
physischen Wirklichkeit im Allgemeinen als epistemisch zugänglich angesehen wird wird der
unbeobachtbare Teil von van Fraassen - als Vertreter des Antirealismus - als epistemisch nicht
zugänglich angesehen. Da raus leitet er eine gewisse Skepsis gegenüber unbeobachtbaren
Entitäten ab. Wissenschaftliche Realisten behaupten hingegen dass auch der Bereich der unsere
direkten Beobachtungsmöglichkeiten transzendiert prinzipiell epistemisch zugänglich ist. Bei
ihrem Versuch zu zeigen dass unsere reifen naturwissenschaftlichen Theorien eine zumindest
annäherungsweise wahre Beschreibung der physischen Wirklichkeit liefern greifen sie die u.a.
Beobachtbar unbeobachtbar-Unterscheidung an. In dieser Studie sollen die zentralen Einwände und
Kritikpunkte an van Fraassens Beobachtbar unbeobachtbar-Unterscheidung diskutiert werden um so
zu einer systematischen Aufarbeitung der Kontroverse um diese Unterscheidung zu gelangen.
Letztlich wird der Versuch unternommen werden die Beobachtbar unbeobachtbar-Unterscheidung als
grundsätzlich durchführbar zu erweisen. Es wird dafür argumentiert dass van Fraassens Konzept
zwar mit einer Vielzahl von Problemen behaftet ist was jedoch nicht bedeutet dass die
Beobachtbar unbeobachtbar-Unterscheidung generell zurückgewiesen werden sollte.