Der Alltag in einem mittelalterlichen Kloster übt auf uns noch immer den Reiz des
Geheimnisvollen und Unbekannten aus. Dort lebten die Bewohner nach eigenen Regeln und
Richtlinien zu denen viele Zeitgenossen keinen Zugang hatten. Zeugnisse dieser Zeit sind
Chroniken Urkunden Pläne und Bauwerke die bis heute noch überliefert und erkennbar sind.
Diese bedeutenden Vermächtnisse der klösterlichen Kultur geben uns einen Hauch von der
Vergangenheit wieder und rufen gleichzeitig unzählige Fragen hervor. Wie haben wir uns den
alltäglichen Betrieb um die Klosterkirche im frühen Mittelalter vorzustellen? Welcher Anblick
bietet sich dem Besucher der das Kloster zum ersten Mal betritt? Wie lebten die Bewohner dort?
Wie sah ihr Alltag aus? Das sind grundlegenden Fragen die uns hier interessieren und die nun
diese Untersuchung zu beantworten versucht. Als Grundlage der Bearbeitung steht ein neuer
methodischer Ansatz im Vordergrund bei dem das äußere Erscheinungsbild eines Klosters in der
Zeit zwischen 800 und 1100 als Informationsträger fungiert. Die Erschließung der funktionalen
Lebenszusammenhänge erfolgt von der Topographie der Anlage aus. Das Erscheinungsbild eines
Klosters setzt uns über Wesenszüge und Organisation des Alltags der Bewohner in Kenntnis legt
das Zusammenspiel der verschiedenen Lebensbereiche innerhalb der Abtei und die unmittelbare
Lebensumwelt der Mönche offen. Dazu dient hier der Klosterplan von St. Gallen. Anhand des St.
Galler Klosterplans soll der Bauplan eines Großklosters studiert und mit Leben erfüllt werden.
Jeder Raum und jeder Wirkungsbereich in einem frühmittelalterlichen Großkloster alle seine
Bewohner in ihrem Tätigkeitsfeld bilden das Objekt der Darstellung. Im Zentrum der Untersuchung
findet sich demnach der Mönch und sein Wirkungskreis. Es geht um die unmittelbare Umwelt der
Mönche die Lage sowie den Aufbau des Klosters und um die internen und externen Verflechtungen
eines mittelalterlichen Großklosters. Die Erschließung des St. Galler Klosterplans erfolgt in
der Weise dass ein fiktiver Besucher imaginiert wird mit dessen Augen das Kloster
wahrgenommen wird. Dieser fiktive Besucher soll das Kloster vor den inneren Augen des Lesers
entstehen lassen. Die historische Alltagsforschung als eine Forschungsrichtung in der
Geschichtswissenschaft situiert sich im Spannungsfeld interdisziplinärer Ansätze und Methoden.
Ein unmittelbarer Forschungsgegenstand ist dabei die individuelle Ausprägung der
Lebensverhältnisse und des Lebensgefühls in vergangenen Epochen. Die Veranschaulichung des
Alltags der Menschen in unserem Fall der Mönche geschieht von einer anthropologischen
Grundlage aus. Die Einzelbeispiele aus den Quellen bilden miteinander verbunden ein
facettenreiches Abbild in dem wir die frühmittelalterlichen Lebensumstände in einem
Großkloster erkennen können. Das Resultat dieser Untersuchung ist eine einfache greifbare
aber quellengestützte Beschreibung.