In vielen seit 1990 entstandenen Jugendstudien wurden abweichende gesellschaftliche wie
politische Einstellungen ostdeutscher Befragter gegenüber ihren westdeutschen Altersgenossen
beobachtet. Die Begründung die hierfür meist angeführt wurde war die für die Ostdeutschen
grundlegend verschiedene Erfahrung eines Lebens in der Diktatur. Zu Beginn der 90er Jahre ging
man noch davon aus dass dieses Phänomen sich im Laufe der nächsten Jahre verflüchtigen würde
doch in nicht wenigen Positionen trat das Gegenteil ein und die Meinungsverschiedenheiten
differenzierten sich im Laufe der Zeit weiter aus. Wenig oder gar kein analytisches Interesse
fanden dagegen die Nachwirkungen der Erlebnisse während der Umbruchphase 1989 90 auf die
gesellschaftspolitischen Positionen der Befragten und damit auf die Grundlage ihres Handelns im
öffentlichen Raum. Dieser Frage nachzugehen ist das Hauptanliegen der vorliegenden Studie.
Fundament und Ausgangspunkt sind dabei die persönlichen Erfahrungen und Eindrücke des Autors in
der DDR während der friedlichen Revolution von 1989 und deren von Michael Kummer vermuteten
prägenden Wirkung. Diese Studie fragt somit nach den während des Umbruchs von 1989 gemachten
Erfahrungen und Erlebnissen und zum anderen danach wie mit diesem historischen Ereignis im
Leben des Einzelnen umgegangen wird also wie sich dieses auf die späteren Lebensgeschichten
und Einstellungen des jeweilig Befragten auswirkte. Um diese Fragen beantworten und die
geschilderte These auf ihre Plausibilität überprüfen zu können zog der Autor in erster Linie
narrativ-biographische Interviews als Quellen heran. Durch die Interpretation dieser
qualitativen Interviews konnte im Anschluss eine typologische Hypothese zur Prägung der
Wendeerlebnisse auf das Leben damalig junger Ostdeutscher gewonnen werden. In dieser spielen
sowohl die Haltungen der Elternhäuser zur DDR und zur Wende die Erlebnisse während der
Wendezeit als auch die Lebenserfahrungen nach 1989 eine Rolle.