Die Untersuchung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Mythos und Postmoderne und stellt
Christoph Ransmayrs Die letzte Welt im Rahmen einer textnahen Analyse in den Kontext der
postmodernen Mythos-Rezeption. Mit der Letzten Welt macht Ransmayr den Mythos in Form der
Ovidischen Metemorphoses zum Thema der deutschen Gegenwartsliteratur und rehabilitiert den
mythischen Stoff. Hans Blumenbergs maßgebliches theoretisches Werk Die Arbeit am Mythos
legitimiert die postmoderne Kehrtwende hinsichtlich der Bewertung des Mythos für die Literatur.
Der Mythos scheint vom ideologisch-totalitären und antirationalen Generalverdacht
rehabilitiert. Das lange geltende Diktum Vom Mythos zum Logos gilt in der Postmoderne nicht
mehr uneingeschränkt und erfährt seine Relativierung. Die allgemeinen Tendenzen postmoderner
Literatur werden zu Geburtshelfern eines neuen Zugangs zu den mythischen Stoffen so die hier
vertretene These. Intertextualität Mehrfachkodierung Autoreflexivität Ironie und
Rhizomstruktur als konstitutive Elemente der postmodernen Literatur vereinigen sich auf
sinnfällige Art und Weise mit dem Mythos. Auch der postmoderne Spielbegriff und der Tod des
Autors werden im Zusammenhang mit der Mythos-Rezeption evident. Der spielerische und zwanglose
Umgang mit der mythischen Stofftradition sowie der postmoderne Verlust der legitimen
Autorschaft und die Verpflichtung zur Arbeit am Mythos sind für Christoph Ransmayrs Die letzte
Welt konstitutiv wie die Untersuchung zeigt. In Auseinandersetzung mit Max Horkheimers und
Theodor W. Adornos Dialektik der Aufklärung bewahrheitet sich die These: Als Roman über und mit
dem Mythos steht Die letzte Welt in der Tradition von Blumenbergs Arbeit am Mythos als Roman
der Krise aber zugleich in derjenigen der Dialektik der Aufklärung. So oder so wird der
Mythos-Rezipient zu einem Doppelagenten wie ihn Leslie Fiedler in seinem programmatischen
Aufsatz Überquert die Grenze schließt den Graben! für die postmoderne Literatur fordert der
sich zwischen der Welt des freien intertextuellen Spiels des Wunderbaren und der
geschichtlichen Verantwortung bewegen muss.