Die Geschichte der Kopfnoten ist wechselvoll. In den 60er - 70er Jahren wurden die Kopfnoten in
den meisten alten Bundesländern nach der Wende auch in den neuen Bundesländern abgeschafft.
Dies geschah nicht zuletzt deshalb weil die Ungenauigkeit der Erfassung des Schülerverhaltens
in den Blick gerückt wurde. Daneben galt dass es nicht in den Aufgabenbereich der Schule
gehören dürfe die Persönlichkeit der Schüler zu beurteilen: Die Schule beurteilt Leistungen
nicht Charaktere. Umso mehr überrascht die Kehrtwende die viele Bundesländer in den letzten
Jahren vollzogen haben. Seit Ende der 1990er Jahre findet sich in immer mehr Bundesländern eine
Verordnung zur Wiedereinführung von Kopfnoten. Die Wiedereinführung von Noten die einige Jahre
zuvor bewusst abgeschafft worden sind legt nahe dass diesen eine wichtige Bedeutung vonseiten
der Beteiligten zugemessen wird. So keimte z. B. in Thüringen die Hoffnung auf dass durch eine
Wiedereinführung der Kopfnoten als ergänzende Beurteilung eine Qualitätsnachbesserung erreicht
werden könne. Oder wie Nordrhein-Westfalens Schulministerin Barbara Sommer Ende 2008
formulierte: Kopfnoten ermöglichen eine transparente und differenzierte Rückmeldung zum
Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen. So können wir jedes einzelne Kind noch
individueller in den Blick nehmen. Für die Schüler bedeute die Bewertung des Arbeits- und
Sozialverhaltens eine klare und hilfreiche Rückmeldung so die Pressemeldung. Für die Eltern
und Arbeitgeber ergebe sich durch diese Maßnahme ein zusätzliches Bild über die Persönlichkeit
des Schülers als sinnvolle Ergänzung zu den Fachnoten. Solch euphorische Aussagen wecken den
Wunsch die Noten aufgrund ihres Gehaltes zu überprüfen. Werden die Noten tatsächlich dieser
Rolle gerecht? Für eine Qualitätsverbesserung des Zeugnisses müssten mit den Kopfnoten demnach
zusätzliche Informationen über die fachliche Leistungsbeurteilung hinaus erteilt werden.
Weiterhin müssten diese Informationen wesentlich für das erhobene Merkmal sein. Die hier
vorliegende Studie gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Im
Theorieteil in Kapitel 2 werden der inhaltliche Gehalt und die gesetzlichen Rahmenbedingungen
für die Kopfnoten abgeklärt. In Kapitel 3 werden die Kriterien aufgezeigt nach denen die
Qualität einer Beurteilung bewertet werden kann. In Kapitel 4 erfolgt eine Darstellung der
Problematik der Beurteilung von Menschen durch Menschen. Es werden die wahrnehmungs-
persönlichkeits- und sozial-spezifischen Faktoren aufgezeigt die negativ auf die Güte einer
Beurteilung wirken. Weiter sollen Lösungsversuche aufgezeigt werden um diesen Tendenzen
bewusst entgegenwirken zu können. Im praktischen Teil der Arbeit wird eine Exploration mit
Erhebungsdaten aus Baden-Württemberg durchgeführt. Es wird versucht die im Theorieteil
genannten Problemkreise anhand des hier vorliegenden Datenmaterials zu überprüfen und zu ersten
empirischen Schlüssen zu gelangen. Kann durch die Vergabe von Kopfnoten die Qualität von
Zeugnissen verbessert werden?