Giambattista Tiepolos größte und bedeutendste Radierung Anbetung der Könige stand bisher zu
Unrecht nicht im Fokus kunsthistorischer Forschung. Sie galt als Reproduktionsgraphik eines
weder erhaltenen noch dokumentierten Gemäldes ihre auffälligen motivischen Parallelen zu den
ingeniösen Künstlergraphiken Capricci und Scherzi fanden lediglich in Hinblick auf
Datierungsfragen Berücksichtigung. In ihrer Studie unternimmt Alessa Rather erstmals eine
intensive Aufarbeitung des Blattes im Kontext von Tiepolos übrigem druckgraphischen Werk.
Datierung Funktion und Sinngehalt der Radierungen werden gleichermaßen in die Untersuchungen
einbezogen so dass die Anbetung der Könige über die gewonnenen neuen Erkenntnisse die ihr
angemessene historische Verortung erfährt. Die Anbetung der Könige wird so ein zentrales
Ergebnis von Rathers Studie erst als anspruchsvolle Sammlergraphik verständlich die explizit
auf einen gutsituierten und gebildeten Kennerkreis ausgerichtet ist der über die nötige
erudizione verfügt Tiepolos Modulationen eines bekannten Bildgegenstandes zu entschlüsseln.
Vergleiche von Tiepolos weiteren Ausführungen des Themas die Suche nach seinen motivischen
Vorlagen und möglichen Inspirationsquellen - darunter eine Publikation von 1749 die zugleich
einen neuen Datierungsansatz für das Blatt bietet - stützen diese These ebenso wie die
zeitgenössische Rezeption und Resonanz von Tiepolos Radierungen. Es wird gezeigt dass das
vermeintlich einfach entschlüsselbare religiöse Blatt anders als bislang angenommen nicht den
Regeln einer klassischen Historie gehorcht und keine didaktische Absicht verfolgt. Durch
gleichermaßen ästhetische wie intellektuelle Spielereien mit der biblischen Textvorlage der
Bildtradition und einem Gemälde Sebastiano Riccis das sich im Besitz des britischen Konsuls
Joseph Smith befand kleidete Giambattista Tiepolo die biblische Historie der Anbetung der
Könige ins Gewand des Kunstprinzips Capriccio.