Michael Affolter verfolgt in seiner Studie ein dreifaches Ziel: - Er will in der
Auseinandersetzung mit KOCH OESTERREICHERS Nähe-Distanz-Modell die Dimension der Rezeption
berücksichtigen. - Er leistet einen Beitrag zur Systematisierung des Konzepts der Mündlichkeit
im Schriftlichen. - Er entwickelt im Umfeld des literarischen Dialogs und dessen Übersetzung
analytische und methodologische Verfahren die zu einem tieferen Verständnis dieses Umfeldes
führen. Im ersten Teil bietet der Autor einerseits eine Darstellung des Forschungsstands zum
Thema Schriftlichkeit-Mündlichkeit. Dabei erweitert der Autor das Modell von Koch Oesterreicher
indem er die Rezeption der hergestellten Nähe als wichtige zusätzliche Dimension mit
einbezieht. Andererseits bietet er dabei eine umfassende Begriffsbestimmung der literarischen
Mündlichkeit und benachbarter Bezeichnungen wie fiktiver fingierter konstruierter sekundärer
prototypischer synchronischer elaborierter Mündlichkeit. Im zweiten Teil wendet sich der
Autor dem literarischen Dialog zu: Nach einer Zusammenfassung des Forschungsstandes werden die
einzelnen Techniken und Instrumente besprochen die im literarischen Dialog zur Herstellung von
Mündlichkeit Verwendung finden: Phonologische syntaktische lexikalische oder auch
suprasegmentale Sprachmittel wobei er am Beispiel der Interjektionen eine quantitative Analyse
durchführt. Im Folgenden zeigt er die Möglichkeiten und Grenzen einer quantitativen Erfassung
von Oralitätsindikatoren auf und stellt einen von ihm entwickelten Wirksamkeitskoeffizienten
für Oralitätsindikatoren zur Diskussion. Die erarbeiteten Konzepte finden im letzten Teil
schließlich eine exemplarische Anwendung: Am Beispiel ausgewählter Textstellen wird sowohl
quantitativ als auch qualitativ überprüft wie Übersetzer mit den Mündlichkeitsmerkmalen in
Giovanni Vergas Novellen Rosso Malpelo u. a. umgegangen sind. Dieser letzte Abschnitt
illustriert wie die theoretischen Erkenntnisse der Arbeit für die konkrete
Übersetzungstätigkeit fruchtbar gemacht werden könnten. Das im Rahmen der Studie entworfene
Modell kann aber auch im literaturwissenschaftlichen Umfeld zur Anwendung kommen wenn im Zuge
von Textanalysen überprüft werden soll inwiefern die vom Autor verwendeten
mündlichkeitsmimetischen Äußerungen in Figurenreden kohärent und konstant Sprecheigenschaften
einer bestimmten Romanfigur darstellen. Die Arbeit ist nicht zuletzt ein Beitrag zur Analyse
der Wechselbeziehung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit besonders im Bereich der
herkömmlichen Diskussion über die Gestaltung einer Grammatik der schriftlichen Mündlichkeit.