In ihrer noch sehr jungen Tradition fokussierten sich Ausprägungen der perzeptiven Linguistik
wie beispielsweise die perceptual dialectology bislang vorrangig auf die diatopische und
perzeptive Abgrenzung von Dialekten durch linguistisch unausgebildete Informanten. Eine weitere
phonetische Variante von Sprache wurde jedoch bislang kaum beachtet: der fremdsprachliche
Akzent. Einige wenige Arbeiten dazu lieferten u.a. Bianca Vieru-Dimulescu und Philippe Boula de
Mareüil über die Perzeption und Identifikation von Akzentvarianten des Französischen. Ähnlich
wie im Falle der perzeptiven Dialektologie sollte auch im Falle des fremdsprachlichen Akzents
die Frage gestellt werden wie Muttersprachler die akzentbeladene Variante ihrer Sprache
wahrnehmen und kategorisieren. Wie orientieren sie sich bei der Perzeption verschiedener
Akzente? Mithilfe welcher perzeptiven Kategorien identifizieren muttersprachliche Hörer frei
Akzente in ihrer Muttersprache? Inwieweit lassen sich die Perzeptionssystematiken linguistisch
erklären? Aline Ruß dokumentiert in ihrer Studie ein perzeptives Experiment mit
deutsch-muttersprachlichen Informanten die vier verschiedene leichte Akzente (französisch
spanisch italienisch und polnisch) in einem deutschen vorgelesenen Text begründet
identifizieren. Angesichts der noch sehr jungen Geschichte dieses neuartigen Forschungsfeldes
ist Ruß' Studie holistisch und explorativ konzipiert. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur
Erforschung der Systematik von Perzeption fremdsprachlicher Akzente und Ergründung von
Sprachbildern linguistisch unausgebildeter Informanten.