In der öffentlichen Meinung steht Kasachstan dem Bild eines Petrostaates näher als dem eines
potentiell neuen Typs von Wohlfahrtsstaat. Zu Unrecht. Fortschritte und Misserfolge der
Systemtransformation dieses Landes spiegeln sich im Konzept seiner Sozialpolitik und dessen
Leistungen wider. Übergeordnetes Ziel ist dabei die anhaltende Verbesserung des
Wohlfahrtsniveaus und des sozialen Schutzes für alle Bürger. In einen derartigen Prozess bringt
jede Gesellschaft ihre spezifischen Hypotheken institutioneller normativer und habitueller Art
ein. Dies gilt in besonderem Maße für Kasachstan mit seinen vielfältigen Dualismen. Roland
Scharff präsentiert in seiner vorliegenden Studie das kasachische Wohlfahrtsregime als work in
progress - und zwar nach folgenden Aspekten: Ausgangslage normative Grundlagen politisches
und institutionelles Design die Inputs die Produktion von Wohlfahrt in ihren operativen
Abläufen und das vorläufige Ergebnis (Outcome). Über dieses Gerüst hinaus geht er einer Reihe
von Fragestellungen nach: Welche sozialstrukturellen Eigenheiten insbesondere demographischer
Art und welche Dualismen (formell informell) sind bei der Ausformung des Wohlfahrtsmix zu
berücksichtigen? Welche Ressourcen werden mobilisiert? Verfügt die Regierung über ausreichend
'governance' für deren optimalen Einsatz? Ist der Kapitalmarkt angemessen entwickelt? Welchen
global wirkenden Anpassungszwängen unterliegt das Land? Antworten auf diese Fragen finden sich
in einer Fülle internationaler Einzelstudien deren Ergebnisse hier auf den roten Faden zur
Entwicklung des sozialen Schutzsystems gereiht werden. Der empirisch interessierte Leser kann
Ansätze zur Gewinnung relevanter Daten in spezifischen Exkursen nachvollziehen. Wie die
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt die Reform des Rentensystems und die vorzeitige Einlösung von
Milleniumszielen als Outcome belegen hat Kasachstan entgegen seinem Ruf als autokratischer
Petrostaat viele Punkte der Schutz- und Wohlfahrtsagenda zielstrebiger eingelöst als das Gros
der GUS-Partner.