Betreibt Russland eine imperialistische Außenpolitik? Oder lässt es sich eher als pragmatische
Großmacht beschreiben - und wenn ja warum? Mit dem Zusammenbruch der UdSSR löste sich der
Nexus zwischen der Identität Russlands als Nachfolgestaat der Sowjetunion und seinem
außenpolitischen Verhalten. Sicher geglaubte Gewissheiten über die Rolle Russlands in der Welt
gingen verloren. Das vorliegende Buch legt mithilfe eines rollentheoretischen Ansatzes den
Blick auf das russische Selbstverständnis frei und geht der These nach dass die unter Putin
wiedergewonnene außenpolitische Handlungsfreiheit zur Ausgestaltung eines begrenzten dafür
aber sakrosankten Repertoires an Identitäten genutzt wird. Als empirische Grundlage dienen zwei
Fallstudien: Die Kooperation mit den USA im Rahmen der Terrorismusbekämpfung nach dem 11.
September 2001 sowie der russisch-georgische Krieg im August 2008. Während der enge
Schulterschluss mit Washington als Abkehr vom Imperialismus-Paradigma gedeutet wurde nährte
der Fünftagekrieg in weiten Teilen des westlichen Medienbetriebes den Verdacht dass russische
Entscheidungsträger einem Imperialismus-Syndrom unterworfen sind. Die vorliegende Untersuchung
verdeutlicht dass der Schlüssel zum Verständnis Russlands in seiner Selbstverortung gegenüber
dem Westen (in Gestalt der USA als relevantem Alter) liegt. Dadurch sind politische
Entscheidungen wie etwa die Anerkennung des Kosovo eng mit Konzepten wie Status und Mitsprache
verbunden. Solche Entscheidungen bilden aus Moskauer Sicht häufig einen negativen Referenzpunkt
auf dessen Grundlage Russland einen eigenen Rahmen angemessenen außenpolitischen Verhaltens
konstruiert. Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis russischer
Außenpolitik. Der uneindeutige westliche Diskurs um die sogenannte Ukraine-Krise verdeutlicht
die Relevanz der hier angebotenen Perspektive für eine einfühlsamere Interpretation und ein
klareres Verständnis russischen außenpolitischen Verhaltens im neuen Jahrhundert.