Wie und warum entstand nach dem Zerfall der Sowjetunion in Russland ein Regime des politischen
Kapitalismus? Unter dem ersten Staatspräsidenten Boris Jelzin bildete sich im Ergebnis
intransparenter Transformationsprozesse ein neues sozio-politisches System heraus. Stürmische
Entwicklungen in den Transformationsfeldern Politik Ökonomie und Massenmedien waren eng
miteinander verknüpft. Markus Soldner setzt sie in seiner sowohl theoretisch-konzeptionell
fundierten als auch akribisch recherchierten empirischen Studie mit Hilfe des an Max Weber
angelehnten Begriffs des politischen Kapitalismus systematisch zueinander in Beziehung. In
einem politischen System mit starker Exekutivgewalt mangelnden legislativen und öffentlichen
Kontrollmöglichkeiten sowie unterentwickelten Parteien zielte das Lobbying ökonomischer Akteure
weniger auf die parlamentarische Arena als auf die informellen Räume und Zirkel in
Präsidialverwaltung und Regierung. Die Kontrolle über Massenmedien gab einigen zentralen
ökonomischen Akteuren zusätzliche Macht je nach temporärer Interessenlage bestimmte Teile der
politischen Elite zu unterstützen oder zu schwächen um ihre eigenen Interessen zu befördern
und denen ihrer Konkurrenten zu schaden. Dabei strebten die exponiertesten der neuen Akteure
keinen umfassenden Eliten System- oder Machtwechsel an sondern die Erhöhung der eigenen
Rentenzugriffschancen. Sie blieben so der (Funktions )Logik des politischen Kapitalismus treu
und stabilisierten durch ihr Verhalten das neu entstandene semidemokratische Regime. Die Studie
zeichnet sich besonders durch die interdisziplinäre und systematisch-verknüpfende
Herangehensweise aus sowie ihre ungemein breite Datengrundlage. Zahlreiche illustrative
Fallbeispiele machen das Buch auch für ein an den Entwicklungen in Russland interessiertes
allgemeines Publikum lesenswert.