Ein Großteil der russischen Elite ist bislang nicht in einer post-geopolitischen Welt
angekommen. Diese Diskrepanz ist ein wesentlicher Grund dafür dass die öffentliche
Russlanddebatte in Deutschland und anderen westlichen Ländern weiterhin von emotionsgeladenen
Dichotomien bestimmt wird. In den vergangenen 35 Jahren wechselten sich divergente
Russland-Images zwischen der Gorbatschow- und Putin-Ära ab. Heute tauchen antagonistische
Leitbilder die an den Kalten Krieg erinnern insbesondere dann auf wenn es um Russlands Rolle
in der Weltordnungspolitik geht. Für ein vollständiges Verständnis der vielen heutigen
Konfliktpotentiale zwischen Moskau und dem politischen Westen sind sowohl Analysen der
konkurrierenden Russlandbilder als auch eine Entschleierung der Grundsätze russischer
Geopolitik unabdingbar. Unter Zuhilfenahme der politikgeographischen Begriffe der Inneren und
Äußeren Geopolitik untersucht Torben Waschke wie sich die innere Umstrukturierung Russlands
und die darauffolgende Neuorientierung der außenpolitischen Interessen des Landes entwickelten
und gegenseitig beeinflussten. Er legt dar auf welche Art und Weise die Weltsicht Disziplin
und Denkweise der Geopolitik das Verstehen der vom Kreml betriebenen Unifizierung des
russischen Identitätsdiskurses und seiner Verfolgung russischer Interessen im postsowjetischen
wie auch nahöstlichen Raum ermöglichen kann. Waschke illustriert vor diesem Hintergrund
eindringlich dass Konzepte der Politischen Geographie wesentliches zu einer besseren
Entschlüsselung von Moskaus internationalem Verhalten im Allgemeinen und Konfrontation mit dem
Westen im Besonderen beitragen können. Darüber hinaus arbeitet Waschke heraus warum die
russische Geopolitik bereits vor Beginn der Coronakrise 2020 in eine schwierige
Transitionsphase eingetreten war. Die daraus für den Staat und die Regierung Russlands
erwachsenden Herausforderungen werden - so macht Waschkes Studie deutlich - auf nationaler wie
globaler Maßstabsebene enorm sein. Aufgrund ihrer theoretischen Grundierung ganzheitlichen
Interpretation zugänglichen Darstellung und umfangreichen Auswertung der relevanten Primär-
sowie Sekundärliteratur wendet sich diese Monographie gleichermaßen an Spezialisten wie auch
Neueinsteiger in das Thema postsowjetische russische Geopolitik.