Mit dem Putsch der Bolschewisten im Oktober 1917 greift im Russischen Reich erstmals die
kommunistische Partei nach der Macht. Das Kalkül Lenins und später Stalins dass der
revolutionäre Funken der machthabenden Partei der Sowjetunion zur Umgestaltung der
Gesellschaften sich in kurzer Zeit weiter auf Gesamteuropa ausbreiten werde erfüllte sich
jedoch nicht. In der Folge wurde das Instrument der Gleichschaltung von Moskau bis nach
Wladiwostok als Form des staatlichen Terrors eingesetzt. Der sogenannte große Terror war in den
Jahren 1937 1938 geprägt von sozialistischen Gewaltexzessen an mehr als zwei Millionen Menschen
die im sowjetischen Reich verhaftet gefoltert und ermordet wurden. Diese Verbrechen wurden
über Jahrzehnte tabuisiert. Die nachhaltigste Zäsur im kommunistischen System der
Parteiherrschaft wurde ausgelöst durch den Tod Stalins 1953 und den darauffolgenden 20.
Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). 1956 setzte Nikita Chruschtschow
ein Signal des Wandels in einer fünfstündigen Geheimrede über die Verbrechen Stalins. Im
Ergebnis wollte die KPdSU so auf eine Entstalinisierung vorbereiten und Handlungsspielraum für
eine vorsichtige Reformpolitik gewinnen. Damit eröffneten sich innenpolitische Möglichkeiten
für Vertreter von Demokratie und Freiheit ihre Ziele öffentlich zu formulieren - und der Weg
für den Prager Frühling im Jahr 1968 war bereitet. Dieser Versuch der tschechoslowakischen
kommunistischen Partei um Alexander Dubcek einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz zu
gestalten endete mit seiner gewaltsamen Niederschlagung am 21. August 1968. Diejenigen die
diese Ereignisse miterlebt hatten waren unter dem sowjetischen Regime zum Schweigen verurteilt
- so wie Michal Reiman ein Weggefährte Dubceks oder Tamara Reiman die als Dolmetscherin an
der Konferenz der sowjetischen und der tschechoslowakischen Führung teilnahm die Ende Juli bis
Anfang August 1968 in Cerna a. d. Thieß stattfand und die kommenden Ereignisse einleitete.
Erstmals dokumentieren sie in diesem Band ihre Erlebnisse und machen sie so der Nachwelt
zugänglich. Ergänzt werden die Zeitzeugenerzählungen um Analysen und Hintergrundberichte
namhafter Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Mit Beiträgen von: Iris Kempe Tamara
Reiman Michal Reiman Peter Brandt Anna Kaminsky Wim van Meurs Tomas Venclova Michael
Thumann