Durch die Ermordung der polnischen Juden durch die Nationalsozialisten durch Flucht
Vertreibung und Umsiedlung der Deutschen und Ukrainer sowie durch den Verlust der sehr stark
multinational geprägten Gebiete östlich der Curzon-Linie entstand in Folge des 2.Weltkriegs ein
polnischer Staat der zu 98% von Polen bewohnt war von denen 97% dem katholischen Glauben
angehörten. Doch das bauliche Erbe des einstigen Vielvölkerstaates blieb dem Nationalstaat
Polen erhalten. Beim Wiederaufbau nach dem 2.Weltkrieg stand weniger ein konservatorischer
Ansatz sondern eine Betonung der eigenen rein polnischen Geschichte im Vordergrund. Das
multikulturelle Erbe das Zugang zu der vielschichtigen Vergangenheit des polnischen Staats
ermöglicht hätte wurde hierbei national überformt. Wie man im Nachkriegspolen mit dem als
deutsch wahrgenommenen Erbe umging wird anhand der Stadt Stettin aufgezeigt: Während man in
der Propaganda eine Abkehr von den Zeugnissen der Jahrhunderte langen Fremdherrschaft sprach
griff man auf viele städtebauliche Konzepte der Vorkriegszeit zurück. Dagegen zeigt das
Beispiel der Stadt Lublin dass das als pozydowski (nach den Juden) bezeichnete Erbe
vollständig aus dem Stadtbild verdrängt wurde ohne thematisiert zu werden. Das Gebiet der
jüdischen Stadt wurde vollkommen ahistorisch überformt: Ein in den 1950er Jahren angelegter
Schlossplatz mit einer Pseudo-Renaissance -Architektur gaukelt dem kunsthistorischen Laien eine
Kontinuität der Stadtstruktur vor. Dies erklärt auch warum die Bemühungen im Zuge einer
Wiederentdeckung des multikulturellen Erbes in den ehemals deutschen Gebiete viel weiter
gediehen sind als der Umgang mit der jüdischen Vergangenheit im Osten Polens.