»Moravagine« ist ein faszinierend beunruhigendes Werk und führt ins Zentrum der künstlerischen
Moderne des 20. Jahrhunderts. Aber »Moravagine« ist auch immer noch 100 Jahre nach dem Ersten
Weltkrieg ein eher verborgenes Buch. Dieser Krieg ist noch nicht vorbei als 1917 Cendrars in
einem Brief an Jean Cocteau seinen Plan annonciert: »Ich sage Dir ein Monster...« Und was
zeitgemäß »Das Ende der Welt« heißen sollte erscheint endlich 1926 als »Moravagine«: Es ist
der Name eines Amokläufers eines Triebwesens in dessen Name sich der Tod (la mort) und das
Gebärende (le vagin) zwittrig vereinen. Moravagine mehr Phänomen denn Person ist ein Nomade
seiner Wunschtriebe eine Figur des Bösen die die Ausschweifungen des Wahnsinns lebt ein an
der Sinnlosigkeit Verzweifelnder. Moravagine so heißt der ungarische Adlige der mit
Unterstützung eines Arztes des Erzählers Raymond das Sanatorium Waldensee verlässt und mit
ihm auf eine zehnjährige Reise geht: über Berlin in den russischen Revolutionsterrorismus mit
dem Schiff nach New York und weiter auf Goldsuche bis zu den Indianern eine Flucht zum
südamerikanischen Orinoko und zurück nach Paris zu einem Flug um die Welt und in den
Morphinismus. Wir kennen von Blaise Cendrars (1887-1961) Gedichte Romane und Erinnerungen
Filmszenarios Reportagen und Essays. Geprägt vom Ersten Weltkrieg und der eigenen Verletzung -
der in Paris lebende Westschweizer Blaise Cendrars meldete sich 1914 als Freiwilliger bei der
französischen Fremdenlegion - ist Blaise Cendrars' »Moravagine« eine literarische
Selbsterkundung in der Leben und Literatur sich nicht mehr trennen lassen. Stefan Zweifel
(*1967) lebt als Journalist Übersetzer Kurator und Moderator in Zürich. Bekannt wurde er
durch seine Neuübersetzung von de Sades Hauptwerken. 2009 Auszeichnung mit dem Berliner Preis
für Literaturkritik 2011 Zuger Übersetzerpreis. In der Anderen Bibliothek erschien als Band
329 »Locus Solus« von Raymond Roussel in Stefan Zweifels revidierter Übersetzung.