Der erste Eintrag von Sinaida Hippius in ihr Blaues Buch vom 1. August 1914 lautet: Was soll
man schreiben? Nichts außer dem einen - Krieg! ... Niemand begreift was - zum Ersten - ein
Krieg ist. Und was er - zum Zweiten - für uns für Rußland bedeutet. Auch ich begreife es noch
nicht. Doch ich spüre ein beispielloses Grauen. Der Beginn des Ersten Weltkriegs machte aus der
russischen symbolistischen Lyrikerin und faszinierenden Salonnière als ein feminines
Gesamtkunstwerk die Petersburger Intelligenzija um sich zu versammeln wusste eine politische
Chronistin. Bis zu ihrer Emigration im Dezember 1919 über Polen nach Paris schrieb sie ihr
gesellschaftliches Tagebuch: als scharfzüngige Kritikerin der autokratischen Zarenregierung und
des Krieges den die Mehrheit der Petersburger Künstler- und Intellektuellenkreise euphorisch
befürwortete als Anhängerin der Februarrevolution von 1917 - jedoch als hellsichtige
Anklägerin der bolschewistischen Machtergreifung im Oktober 1917. In ihrer großen Wohnung nahe
dem Taurischen Palais dem Sitz der Regierung wurde sie zur Augen- und Ohrenzeugin: Die
Politiker gingen bei ihr ein und aus die politischen Papiere über ihren Tisch. Die
leidenschaftlichen zeitgenössischen Aufzeichnungen der Sinaida Hippius sind in ihrer
Authentizität aufregende Dokumente dramatisch lebt in ihnen die Atmosphäre jener Zeit wieder
auf. Die Oktoberrevolution machte Sinaida Hippius zur Emigrantin. Die letzten Lebensjahrzehnte
verlebte sie mit ihrem Mann dem Schriftsteller Dmitri Mereshkowski in Paris wo sie 1945 mit
76 Jahren ihr Grab fand. Ein Teil der Petersburger Tagebücher galt bis 1992 als verschollen -
sie werden nun zum ersten Mal auf Deutsch veröffentlicht.