Wir folgen Joseph Roth auf seinen die Welten verbindenden Wanderungen zwischen Ost und West
zwischen habsburgischem Galizien und der weißen Glut Südfrankreichs. »Ich habe die weissen
Städte so wiedergefunden wie ich sie in den Träumen gesehn hatte.« Von Lyon über Vienne Les
Baux Nîmes Avignon und Arles Tarascon nach Marseille - mit dreißig Jahren geht Joseph Roth
den klingenden Namen der Sehnsuchtsorte seiner Jugend nach sein frühester Traum erfüllt sich
und er wird dort wo er nie war »wieder ein Kind«. Ausgestattet mit einem Reportageauftrag der
»Frankfurter Zeitung« geht Roth 1925 auf eine Reise durch den französischen Midi: »Die weißen
Städte« des unteren Rhônetals und der Provence mit Marseille sind sein Ziel. Es sind die Orte
in die er sich als Kind aus dem galizischen Schtetl Brody gewünscht hat. Was er als Reisebuch
unter dem Titel Die weißen Städte komponiert sollte so nie gedruckt werden. Das Buch ein
Schlüsselwerk Joseph Roths erhält sich bloß als Typoskript. Auch in den späteren Werkausgaben
und Anthologien findet es entweder entstellt oder nur in anteiliger Überlieferung Aufnahme. Nun
werden Die weißen Städte erstmals vollständig anhand des im Literaturarchiv Marbach verwahrten
Typoskripts von Roths letzter Hand veröffentlicht. Wie Joseph Roth auf seiner Reise durch
Südfrankreich eine Traumreise in ost-westlicher Richtung reflektiert hatte er zuvor die
umgekehrte Route genommen: 1927 erscheint sein Großessay über das Ostjudentum Juden auf
Wanderschaft geschrieben für »Westeuropäer die auf ihre sauberen Matratzen nicht stolz
sind«. Von galizischen Städten und dunklen Bethäusern - aber auch von Ostjuden in den
westeuropäischen Ghettos von Paris Wien und Berlin schreibt Roth. In der Zusammenschau mit den
Weißen Städten mit denen die Juden auf Wanderschaft vielfach korrespondieren finden wir uns
in der zentralen Stelle von Joseph Roths Werk zwischen persönlichem Essay und literarischem
Schreiben zwischen der Feuilleton-Gewitztheit des Journalisten und der Poetik des
Prosadichters. Volker Breidecker führt durch beide Texte reichert sie an durch Lektüren von
Briefen an Freunde und Zeitgenossen unveröffentlichten Texten aus den Archiven und entdeckt
uns durch die tiefe Kennerschaft der Materialien in einem biographischen Essay den Joseph Roth
der 1920er-Jahre.