Mit seinen Endnoten präsentiert Felix Philipp Ingold eine einzigartige verkappte Auto- und
Autorbiographie am Leitfaden unterschiedlichster Lebens- Lektüre- und Traumerfahrungen. Knappe
Essais präzise Wahrnehmungs- und Erinnerungsnotate auch aphoristische und poetische
Einsprengsel fügen sich zu einem weitläufigen Textgelände in dem sich Privates und Epochales
Leben und Werk zu einem großen Ganzen verschränken. Die Texte sind kontrapunk- tisch
angereichert durch Fotobilder des Autors. Staunenerregend ist die Fülle der Lektüren
kanonisierter oder (wieder) zu entdeckender AutorInnen und Texte von Kleist Tolstoi Mallarmé
Zwetajewa bis Konrad Bayer und Botho Strauß woraus als ingoldene Fixsterne u.a. Lukrez die
Kyniker oder Montaigne hervorleuchten. Erfrischend innovativ parteinehmend und philologisch
geschliffen begeistern Ingolds Würdigungen Resümees und (seltenen) Verrisse auch als
Protreptikon das Besprochene selbst zu rezipieren und dazu Stellung zu nehmen. Entschieden
tritt der Autor für starke Sätze Formreflektiertheit und unverwechselbaren Personalstil ein
als Gegenposition zur konfektionierten Bedeutungsmaschinerie heutiger Trendbelletristik und
unter diesem Licht verlieren auch manche Säulenheilige (Joyce Proust) einiges von ihrem
autoritativen Glanz. Was kann ich mit einem Stück Literatur anfangen? Die Frage benennt gleich-
zeitig Ingolds Interesse daran aus der Rezeption von Sprachkunst eine eigene Form der
Erkenntnis zu gewinnen die ins Vage und Offene weist und die gerade deshalb aufklärerisches
Potential besitzt. Alternierend wird der Strom der Leseerfahrungen nun auch von Traum- und
Kindheitserinnerungen umspielt deren einzelne Themen und Motive Sehnsüchte vor- bzw.
außersprachlichen Seins antippen die ihrerseits Ingolds Naturbetrachtungen auf seinen
Wanderungen in der Romandie grundieren. Dabei verliert das lesende und schreibende Subjekt
seine provinziellen Nachbarschaften nicht aus dem Auge an deren grauer freudloser Normalität
manch beherzter Lebensentwurf zerschellt. Nicht nur da- gegen halten Felix Philipp Ingolds
Endnoten ein Pharmazeutikum bereit - als emphatisches Plädoyer für die Kunst des Lesens als
Teil aller Lebenskunst am Ende traditioneller Schriftkultur!