In "zugvögel" aktualisieren Gerhard Rühm und Martina Kudlá¿ek ein Schreibverfahren das auf die
Gemeinschaftsarbeiten der Wiener Gruppe zurückgeht. Kudlá¿ek verfasste spontan Listen von je
zwölf Begriffen die Rühm als Ausgangsmaterial zur Herstellung von (teils gemeinsam
formulierten) Prosa-Miniaturen verwendete: jede ein singuläres Text-Individuum variierender
Form in dem sich Wirklichkeitssubstrate und Phantastisches auf spielerische Art miteinander
verbinden. Kleinstereignisse wie das In-den-Mund-Führen einer Mandarine oder Wundersames wie
eine sich schier endlos ausbreitende Portion schwarzen Kaffees im Wörthersee entspringen den
semantischen Keimen der vorgegebenen Vokabularien. Banales erweist sich als nicht weniger
rätselhaft als das Monströse. Es sind schroffe Welten mit durcheinandergewürfelten Perspektiven
und Dimensionen: Von großer Entfernung besehen wachsen der Erde Ohren oder es wehen
Sonnenstürme durch den Zuschauerraum eines Theaters. Die Verbindung des Unvereinbaren versetzt
Begriffe ins Wanken und erzeugt ambiguose Atmosphären zwischen fragiler Behaglichkeit durchaus
auch Glücksmomenten und diffuser Bedrohung Wandel und Verfall. Ein Ensemble an Fotografien
(Stillleben Fundstücke Kompositionen) transponiert derlei Stimmungen in visuelle
Vorstellungskomplexe. Die in "zugvögel" angewandte Praxis eines methodengeleiteten Surrealismus
gewinnt unter heutigen medialen Bedingungen besondere Brisanz: Zeitigt das Ausführen
sogenannter "Prompts" durch literarische KI-Anwendungen i.d.R. belanglose Zufälligkeiten
erweitert vertieft und bereichert die Interaktion von zwei kreativen Ingenien die dichterische
Arbeit um mannigfaltige Bezüge. Selten finden Lebensweltliches und persönliche Geschichte
Galaktisches und Übersinnliches in derartiger Evidenz zusammen.