Ihre Erzählungen sind manchmal buchstäbliche Einzeiler oder es sind lange geduldige
Beobachtungen von Kühen im Laufe eines Winters vom Küchenfenster eines Landhauses aus. Ihre
Stories können aber auch Träume sein Beschwerdebriefe (an Tiefkühlerbsenproduzenten oder
Autoren von Buchhändler-Werbebroschüren) oder Geschichten die aus den Briefen Flauberts
kondensiert wurden. Lydia Davis schreibt in allen Fällen mit großer Präzision mit Witz und
Intelligenz und einem geschärften Blick für die Unerfreulichkeiten des täglichen Lebens. Da sie
nichts als gegeben hinnimmt überschreitet sie auch ständig die Grenzen der literarischen
Konventionen der Genres und Gepflogenheiten - und das macht ihr Werk zu einer Fundgrube für
überraschende Entdeckungen. Sie scheut weder das intellektuelle Vergnügen noch die Nähe der
Intimität. Ob es sich um die ironische Aufzählung von Lesevorlieben handelt oder um die
ungemein intimen Erinnerungen einer Frau an ihre verstorbene ältere Schwester um die trocken
notierten Schwierigkeiten mit renitenten Dienstmädchen oder die Essgewohnheiten von
Großstadtneurotikern: Lydia Davis zu lesen erweitert nicht nur den Horizont es weist uns auch
auf unerwartete Freuden in unser aller rätselhaftem Alltag hin.