Herbert J. Wimmers Buchtitel spielen gerne mit ironischer Ambivalenz. So sind bei ihm die
kugeln flach bei tote im text geraten die Buchstaben O und X in irritierende Wechselwirkung
und der zeitpfeil wird in seiner Bedeutungsvielfalt zwischen Psychologie und Kosmologie noch
zusätzlich poetisch aufgeladen.Von ähnlich einfach schöner Komplexität sind Titel und Inhalt
seines neuesten Werkes - klärwerk. Handelt es sich bei diesem in Wörterbüchern nicht zu
findenden Begriff um eine sprachliche Kläranlage? Wobei man bei Wimmers vor dem Kalauer nicht
zurückschreckenden Sprachwitz gerne auch die Frage stellen darf: Alle Klarheiten beseitigt? Ja
und nein. Jedenfalls sollte man das jiddische derklern im Sinne von erklären nachdenken und
auslegen im Kopf behalten.Erklärungshilfen sind in seiner selbstreflexiven Prosa selbst
enthalten - so etwa in der zweihundertdreiundneunzigsten MEMoirés-memorette: klärwerkkunde:
auch dieser text spricht nicht für sich. auch dieser text realisiert eine medienspezifische
vorschlagsweise romanartig genrespezifische inszenierung.Romanartig bedeutet Handlung aus
vielfältig ineinander verschränkten Geschichten und Figuren die sowohl Sprachfiguren als auch
Handlungsträger sind. Die drei Hauptfiguren des klärwerks feuer fromovic und haslaur befinden
sich jedenfalls in ständiger Kommunikation miteinander. Ein wesentliches Selbstverständnis
ihrer Identitäten besteht darin die gegenwärtigen Positionen aus dem LGBTransgender-Alltag in
selbstreflexiver Weise sprechen zu lassen - womit es Herbert J. Wimmer durchaus selbstironisch
und lustvoll gelingt den gruppendynamischen Aspekt einer permanent fließenden und sich
permanent selbst in Frage stellenden Identitäten-Debatte herauszuarbeiten.
Gesellschaftspolitisch überhöht lässt sich fragen: Wie schaut es momentan gegenwärtig aus wenn
die Rollen Rahmen porös werden wenn die Übergänge und die auftretenden Übergangsformen ihre
Fließmuster permanent verändern?