Die Halbwertszeit von zeitgenössischer Literatur nimmt seit Jahren kontinuierlich ab. Es
scheint als verschwänden Neuerscheinungen die nicht binnen weniger Wochen wirksam rezipiert
wurden sang- und klanglos im Orkus eines nimmersatten Buchmarktes. Verlage die der
langlebigen Qualität ihrer Bücher halber eine umfangreiche Backlist pflegen sind mittlerweile
in der Minderheit und auch die Literaturkritik scheint diesen Trend zu befördern indem
Besprechungen dem Rhythmus immer kürzerer Erregungskurven folgen.Gerhard Melzers Auslese mit
dem sprechenden Titel »Das lange Leben der Bücher« versteht sich als Einspruch gegen diese
Dynamik. Als passionierter Leser und Kritiker der zeitgenössischen österreichischen Literatur
kann Melzer auf Lektüren aus vier Jahrzehnten zurückblicken. Diese dokumentieren nicht nur eine
kontinuierliche und vertiefende Auseinandersetzung mit der heimischen Literatur sondern bilden
auch einen subjektiven Kanon jener Texte die auch Jahre und Jahrzehnte nach ihrer Entstehung
im Gedächtnis bewahrt und wiedergelesen werden sollten.Neben den Werken von verbürgten Größen
wie Barbara Frischmuth Norbert Gstrein Michael Köhlmeier Friederike Mayröcker Marlene
Streeruwitz oder Josef Winkler gilt sein Interesse vor allem den konsequenten Außenseitern und
Querköpfen der österreichischen Literatur. In den rund 60 aufgenommenen Texten heftet sich sein
Blick oftmals auf Details die über die vermeintlichen Inhalte hinausweisen: Indem Melzer
seinen Blick auf die Eigenheiten von sprach- wie formbewussten Texten richtet werden diese als
konsequente poetische Entwürfe lesbar deren Wirkungsweise »für sich genommen eine eigene
spannende Geschichte « offenbart. Diesem Zugang der die Faszination am literarischen Gelingen
teilen möchte »liegt die Überzeugung zugrunde dass Literatur eine eigenständige
Erkenntnisform sei und Literaturkritik eine Dienstleistung die das Verständnis dieses
besonderen Weltzugangs tunlichst zu befördern habe. Es ging mir um Brückenschläge zwischen
Autor- und Leserschaft im besten Fall um Verführungen zur Lektüre und auf diese
Verführungskraft setzt naturgemäß auch die vorliegende Auswahl.« Mit einem Nachwort von Clemens
J. Setz.