Der von konstruktivistischen Architekten der Sowjetunion in den 1920er Jahren geprägte Begriff
des «sozialen Kondensators» steht für die Überzeugung dass Architektur nicht nur individuelles
Verhalten formen sondern die Gesellschaft als Ganzes reformieren kann. Die gemäss diesen
Vorstellungen als öffentliche Versammlungsstätten konzipierten Gebäude und Projekte gehören zu
den frühesten radikalen Architekturexperimenten der modernen Bewegung. Trotz ihres
unbestreitbaren Einflusses auf die kanonisierte Geschichte der Moderne gibt es bisher nur wenig
Erkenntnisse zu diesem beachtlichen architektonischen Erbe.Die hier vorgestellten 101
Fallstudien zeigen die grosse Spannbreite der frühen sowjetischen Kondensatoren - von
Installationen der Agitation über Arbeiterklubs und Kulturpaläste bis hin zu Massentheatern
verteilt über das riesige von der Ukraine bis zum Ural reichende Staatsgebiet. Es sind
Präzedenzfälle dafür wie Architektur soziale Funktionen aktivieren kann aber auch ab-
schreckende Beispiele für ihren Einsatz als Instrument der Staatspropaganda des Social
Engineering und der territorialen Kontrolle.