Julia Kristeva hat eine bahnbrechende Studie zu Depression und Melancholie vorgelegt. Bereits
die Nervalsche Metapher der 'schwarzen Sonne' verweist auf das Düster-Gleißende ihres
Gegenstandes.Kristeva gelingt es den in der Gegenwart immer stärker aufs Pathologische
abzielenden und damit verengenden Diskurs zu jenem 'depressiv-melancholischen Komplex'
aufzubrechen. Sie zeigt dass in Depression und Melancholie die Quelle von Leiden liegt aber
auch und davon nicht zu trennen: von Kreativität. In den frühen Theorien von Freud und Abraham
kaschiert die Depression eine Aggressivität gegen das verlorene Objekt und offenbart darin eine
Ambivalenz des Depressiven gegenüber dem Objekt seiner Trauer. Darüber hinaus verweisen neuere
Theorien zum Narzissmus - wie die von Edith Jacobson und Béla Grunberger - auf Depression als
archaischen Ausdruck einer nicht symbolisierbaren unbenennbaren narzisstischen Wunde. Daran
und an Melanie Klein wie Jacques Lacan anknüpfend kommt Julia Kristeva zu dem Befund: dass der
Depressive nicht um ein Objekt trauert sondern um ein sich der Sinngebung entziehendes
'Reales'.In eindringlichen klinischen Beispielen sowie in vier kunst- und
literaturtheoretischen Arbeiten zu Holbein d. J. Nerval Dostojewski und Marguerite Duras
veranschaulicht Julia Kristeva ihren Ansatz dass die Depression nicht nur eine zu behandelnde
Pathologie ist sondern auch ein Diskurs in einer Sprache die es zu erlernen gilt.InhaltI. Ein
Gegen-Depressivum: die Psychoanalyse II. Leben und Tod des SprechensIII. Figuren der weiblichen
Depression -Die kannibalistische Einsamkeit -Töten oder sich töten: die agierte Schuld -Eine
jungfräuliche Mutter IV. Schönheit: Die andere Welt des Depressiven V. Holbeins Der Leichnam
Christi im GrabeVI. Nerval El Desdichado VII. Dostojewski die Schrift des Leids und die
Vergebung VIII. Die Krankheit Schmerz: Duras 'Der entscheidende Parameter ihrer Theorie der
Melancholie ist die Stellung des Subjekts zur Sprache und zum Begehren. eine Bereicherung des
psychodynamischen Diskurses.'(Lothar Bayer Psyche 2006)