Kaum eine andere Entdeckung des 20. Jahrhunderts hatte eine solche Tragweite und kaum eine
andere Entdeckungsgeschichte ist bis heute derart umstritten wie die der Kernspaltung. Der
Radiochemiker Otto Hahn erhielt dafür während seiner Internierung in England kurz nach dem
Krieg den Nobelpreis für Chemie während seine enge Physiker-Kollegin Lise Meitner im
entscheidenden Jahr als Jüdin ins Exil fliehen musste und leer ausging. Dabei hatte sie einen
wesentlichen Anteil an den Vorarbeiten und der physikalischen Erklärung von Hahns Messungen.
Bis heute schwankt das historische Bild daher zwischen den Extremen der Heldenverehrung eines
großen Chemikers und der Darstellung eines egoistischen Opportunisten der die Leistungen
Meitners verschwiegen haben soll.Das Jahr 2018 vereint gleich drei Jubiläen die nach einem
solchen Buch verlangen: Der 50. Todestag von Hahn und Meitner sowie der 80. Jahrestag der
Entdeckung der Kernspaltung. Die Idee diese Koinzidenz zu nutzen und neuere Forschungen zu
präsentieren um mit hartnäckigen Mythen aufzuräumen ist dank des Engagements der beteiligten
Autorinnen und Autoren gelungen. Themenschwerpunkt sind dabei die Umstände im Dritten Reich wie
etwa Fragen nach der Kollaboration Hahns und seiner Beteiligung an einer »deutschen Atombombe«
die selbst in der jüngeren Literatur von Spekulationen und Unterstellungen durchsetzt sind. Die
Vielfalt der Themen erstreckt sich jedoch weit darüber hinaus vom ersten prähistorischen
»natürlichen« Kernreaktor in Afrika bis in die jüngere Zeitgeschichte mit ihren musealisierten
Glorifizierungen großer Entdeckungen oder ihren politischen Segnungen und Verfluchungen des
Atomzeitalters. Die Beiträge werfen ein facettenreiches Licht auf eine Entdeckung in deren
Folge die Wissenschaft endgültig ihre Unschuld verloren hatte.Das Buch enthält neben einem hier
erstmals veröffentlichten Manuskript von Otto Hahn über »Beziehungen zu Nichtariern« Beiträge
von Ralf Hahn Horst Kant Vera Keiser Elisabeth Kraus Volker Lässing Susanne Rehn-Taube
Michael Schaaf und Martin Trömel( ). Mit Personenregister.