In Kooperation mit der Architekturzeitschrift ARCH+. Das ästhetische Subjekt und die Phantasie
in der Kunst stellen für Klaus Heinrich Einspruchsinstanzen gegen das transzendentale Subjekt
und den Rationalismus der Philosophie dar. Im Verbund mit der Kunst und der Psychoanalyse
erinnert er dabei an das was von der Philosophie verdrängt wird: das Triebsubjekt und die
unerledigten Konflikte der Gattung. In der vorliegenden Vorlesung aus dem Wintersemester 1978
79 widmet sich Heinrich dem italienischen Künstler und Architekten Giovanni Battista Piranesi
(1720-1778) dabei knüpft er nicht nur chronologisch sondern auch thematisch an die
vorangegangene Vorlesung zur Architektur von Karl Friedrich Schinkel und Albert Speer an.
Heinrich begreift Piranesi als Antidot zum Rationalismus des Klassizismus der seit Johann
Joachim Winckelmann die »Entsinnlichung der Vergangenheit« betreibt. Wie selbstverständlich
verwandelt sich in seiner Auseinandersetzung neben dem Mythos und der Kunst auch die
Architektur zu einem Stoff der Aufklärung. Sie ist nicht auf ihr Gehäuse reduzierbar vielmehr
handelt es sich um eine leibhaftige Verkörperung der Gattungsgeschichte. Als historische und
kosmologische Repräsentation stellen die Räume der Architektur damit jeweils die Realität im
Ganzen dar: »sie sind wo sie zu Ensembles zusammentreten nicht Teile der
Architekturgeschichte sondern Stücke Demonstrationsobjekte der Gattungs- und
Zivilisationsgeschichte wie nur irgendeine Maschine irgendein Kult irgendeine
Gedankenkonstruktion.« Der bedeutende Einfluss auf die französische Revolutionsarchitektur und
die Faszination die bis heute von Piranesi ausgeht erklärt sich deshalb weniger aus seinen
modischen Neuerungen und technischen Innovationen als aus seinem Vermögen »in der Architektur
Dimensionen miteinander zu verknüpfen die normalerweise nicht der Verknüpfung durch
Architektur überlassen bleiben«. Piranesi präsentiert in seinen Entwürfen nicht nur was im
Raum einander verdrängt sondern auch das was in der Zeit einander ablöst. Bei dem Gerümpel
das er auftürmt und den Elementen und Kulissen vergangener und gegenwärtiger Epochen die er
versammelt handelt es sich ebenso wie bei den Substruktionen die seine Entwürfe tragen und
den verschlungenen Labyrinthen die sie durchziehen um Erinnerungsstoffe die allesamt für
»Formen der Durcharbeitung« der Zivilisationsgeschichte stehen. Piranesi geht in seiner
»Zivilisationsarchitektur« nicht nur räumlich sondern auch zeitlich in die Tiefe worin sich
zeigt sich dass eine solche Auseinandersetzung mit der Zivilisationsgeschichte ein dem
psychoanalytischen Aufklärungsprozess durchaus vergleichbares Unternehmen darstellt das in der
Auseinandersetzung mit dem Verdrängten und der Darstellung von Verdrängungsprozessen besteht.