'Über Stoffe berührten Mutters Hände mich. Ansonsten keine Umarmungen keine Liebkosungen
sondern nur Zuschneiden Anheften Saumabstecken wobei ihr Körper dem meinen nahekam.' Stoffe
Fäden Nähen bildeten für eine ganze Generation ein wesentliches Element des Aufwachsens. So
auch für die Erzählerin und ihre Brüder die in prekären Verhältnissen in einem kleinen Dorf in
Oberösterreich von ihrer Mutter geradezu eingenäht wurden. Anhand einzelner Kleidungsstücke
wird ein ganzes Leben nachgezeichnet Armut und Ausgrenzung Scham aber auch ein Ringen um
Emanzipation der Erzählerin als Studentin Schriftstellerin und Mutter. Sabine Scholl hat einen
literarischen Zugriff auf die tiefen Wunden des Lebens gefunden auf die Scham der Armut auf
den Mangel an mütterlicher Liebe auf die Prägung der Herkunft die einen ein Leben lang
begleitet. 'Die zweite Haut' rührt einen tief an und erinnert an die Werke von Annie Ernaux.