Reise nach Indien vor 20 JahrenVor zwanzig Jahren habe ich begonnen Kinder auf der ganzen Welt
zu fotografieren. Meine erste Reise führte mich nach Südindien. Zunächst lebte ich in einem
kirchlichen Frauenzentrum in der Stadt Chennai in der Provinz Tamil Nadu dem früheren Madras
dann in Mugaiyur einem kleinen Dorf. Sechs Monate lang machte ich Fotos und führte Gespräche
mit Bewohnerinnen und Mitgliedern der Familien die mich als Gast aufgenommen hatten. Nicht nur
ich hatte viele Fragen auch sie. Neben dem Thema Kinder ging es immer um die Liebe. »In deinem
Land gibt es keine arrangierten Ehen« fragten viele überrascht denn ich sprach vor allem mit
jungen Frauen die wie ich unverheiratet waren. Fragte ich sie wie sie das denn fänden einen
Fremden zu heiraten antworteten sie häufig: »Ich bin bereit lass ihn kommen. Wenn der Becher
leer ist füllen wir ihn wenn er schmutzig ist machen wir ihn sauber.« Alles was sie sagten
alles was ich um mich herum sah überraschte mich nährte Zweifel nötigte mir aber auch große
Bewunderung für ihren Mut und ihren Glauben ab. Ihre arrangierten Ehen waren mir ein Rätsel
dennoch faszinierten sie mich auch. Eine der Möglichkeiten für mich sie besser zu verstehen
waren die Porträts die ich anfertigte. Ich fotografierte Frauen und Männer verschiedenen
Alters verlobte oder einander versprochene sowie verheiratete Paare. Nach zwanzig Jahren
schaue ich mir nun diese Porträts indischer Paare wieder an denn erst jetzt nachdem ich
selbst 16 Jahre mit den Herausforderungen eines Ehelebens konfrontiert worden bin ist mir ihr
Kontext persönlich vertrauter geworden. Die indische Gesellschaft verändert sich rasch und die
jüngere Generation wächst heute zwischen den Extremen einer globalen vernetzten Welt und der
Tradition ihrer Großeltern auf. Ginge es nach den Jungen sollte die indische Tradition
schnellstmöglich durch westliche Liebes- und Lebensideale ersetzt werden. Doch wie sehen diese
Ideale in wirklich aus? Die Ehe meines Bruders ist kürzlich nach 25 Jahren geschieden worden -
für die Beteiligten ein Schock. Meine Töchter wachsen in Amsterdam auf für ihre Generation
scheint es ganz normal geschiedene oder getrenntlebende Eltern zu haben und in komplexen
Familienstrukturen zu leben. Angesichts dessen dass die Themen Liebe und Beziehung in
Zeitungen und Zeitschriften Seiten füllen ist klar dass das letzte Wort noch nicht gesprochen
ist - ganz davon abgesehen wie kompliziert es für einen selbst ist die eigenen Töchter
heutzutage etwa mit LGBT vertraut zu machen. Gespräche Lektüre und eigene Erfahrung haben mich
gelehrt dass Beziehungen viel Arbeit und Verständnis erfordern und dass jede Art Beziehung ein
Arrangement ist bzw. zu einem solchen wird. Ich denke die Liebe und das Leben haben viel mit
der Gartenarbeit gemein es ist immer schwer irgendwelche Regeln aufzustellen aber Zeit
Vernachlässigung und Zufälle bringen oft unerwartete Schönheit hervor. Der Trick besteht nur
darin Schönheit zu erkennen und so sie sich zeigt das Beste aus ihr zu machen. Cuny Janssen