Typisch für eine Anzahl der an blinden Flecken reichen Märchen ist dass das Motiv von Rache
und Vergeltung fehlt. Eine harmlose Neckerei ein kleines Delikt oder ein bloß zufälliger
Umstand stehen am Beginn sogenannter Schwank- Vexier- und Formelmärchen und eröffnen damit
eine Reihe von Tätlichkeiten die ein außer Kontrolle geratendes oder im Stillen wirkendes
Rachehandeln nahelegen. Meist richtet sich das Rachegelüst gegen Hausherrn oder Wirte mit
Vorliebe auch gegen Bewohner und Besucher von Haus und Hof um ein nicht näher ausformuliertes
Unrecht auszugleichen. Mag sein dass die hier zu Wort kommenden Situationen einfach und
nachvollziehbar scheinen wie die Vorrede der beiden Brüder mit Blick auf hungernde Eltern
ausgesetzte Kinder und harte Stiefmütter bekennt weil jede »ächte Poesie niemals ohne
Beziehung auf das Leben seyn kann«. Doch sind die Lösungen die aus dem Dilemma der Konkurrenz
um Schönheit dem nagenden Hunger dem unerfüllten Kinderwunsch der untergeschobenen oder sich
gegenseitig abschlachtenden Kinder ebenso verstörend wie düster. Für Robert Darnton sind
Märchen - bei ihm sind es die französischen Märchen des 18. Jahrhunderts - eine Arena roher und
unverstellter Brutalität zu der »Vergewaltigung und Sodomie bis hin zu Inzest und
Kannibalismus« gehören. (Auszug aus dem Nachwort von Mona Körte)