QUÄKER-SPEISUNG UND "LAUFENDE BILDER" Zwanzig aufregende Jahre von 1914 bis 1933. "Ich wünsche
mir zu Weihnachten einen Vater" bittet der zehnjährige Ernst Haß seine Mutter. Der in der
Kaiserlichen Flotte dienenden Vater ist bei einer Seeschlacht gegen England umgekommen. Ob der
Wunsch in Erfüllung ging erzählt die erste Geschichte eines Buches mit Kindheitserinnerungen
aus schicksalhaften deutschen Jahren. Wie erlebten Kinder den Ersten Weltkrieg und das Ende des
Kaiserreiches? Wie kam die Inflation über die Menschen? Was war golden an den "Zwanzigern"? Wie
empfanden Kinder den technischen Fortschritt mit Radio Kino und Auto? Die erstaunlich
lebendigen Zeitzeugenberichte geben viele gute Antworten zum damaligen Alltagsleben. Eine
arbeitsame Idylle jener Jahre schildert Ursula Löbner: Das geordnete Leben auf Gut Hammelspring
in der Uckermark und die täglichen Ponykutschfahrten zum Lyzeum in Templin. Auch hier verändert
der Krieg vieles: "Das Vieh wurde aus den Stallungen geholt Kartoffeln und Getreide
beschlagnahmt. Für die eingezogenen Arbeiter bekamen wir französische Kriegsgefangene." Bei
Kriegsende gelingt hier der Neuanfang leichter als in der Stadt wo es an Kaufkraft und
Rohstoffen fehlt. "Für unsere Familie waren die Zwanziger Jahre eine arme Zeit" erzählt
Gertrude J. Seeliger. "Wir Kinder bekamen gegen den schlimmsten Hunger Quäker-Speisungen:
Milchsuppe und ein dunkles Brötchen." Stadtkinder werden aufs Land verschickt und
hochgepäppelt. Die Kriegsfolgen führen zur Inflation. 1923 verliert auch Ludwig Eberbachs Vater
alles Vermögen. Weil der Schmiedemeister eine größere Werkstatt aufbauen will hatte er Häuser
und Grundstücke verkauft. Sein Bargeld auf dem Bankkonto verfällt binnen kurzem zum Nichts. Als
mit der Rentenmark wieder stabiles Geld kursiert schöpfen die Menschen Mut und begeistern sich
für die stürmische Technikentwicklung. Walter H. Moshammer erinnert sich: "Seit 1923 konnte man
in Berlin Radio hören. Irgendwann hatte Onkel Felix einen Kristall-Detektorempfänger und
Kopfhörer mitgebracht". Wenige der ersten Radiogeräte besitzen einen Lautsprecher. In den
Haushalten weichen die Petroleum- und Gaslampen dem elektrischen Licht. Der Bubikopf wird
modern junge Frauen lassen sich die Röcke kürzen. Traute Siegmund erzählt wie sie zum ersten
Mal "laufende Bilder" sieht: Kino! Mitten in die Aufbruchstimmung hinein schlägt 1929 der
"Schwarze Freitag" an der New Yorker Börse. Die Weltwirtschaftskrise läßt binnen kurzem ein
Heer von Arbeitslosen entstehen. Hitlers Heilversprechen fallen auf fruchtbaren Boden. Mit
zahlreichen Fotos und Dokumenten der Autoren illustriert vermitteln die Erinnerungen ein
lebendiges Bild des Alltagslebens in Deutschland.