Der erstinstanzliche Prozessalltag im Dritten Reich und in der unmittelbaren Nachkriegszeit
wurde bislang noch kaum erforscht. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dieser
Forschungslücke. Hierzu standen rund 2.600 Verfahrensakten des Landgerichts Amberg zur
Verfügung. Der Autor schränkt die Untersuchung auf die Ehescheidungsverfahren und hier im
Speziellen auf den Zerrüttungstatbestand ein. Dieser Tatbestand wurde von den
Nationalsozialisten zur Umsetzung der Bevölkerungspolitik eingeführt. Der Scheidungstatbestand
galt auch nach dem Ende des Dritten Reiches weiter und bildet die Basis für unser heutiges
Ehescheidungsrecht. Der Autor untersucht inwieweit sich das Landgericht Amberg von den
Nationalsozialisten in das Regime einbinden ließ und die nationalsozialistische
Bevölkerungspolitik nachvollzog. Im zweiten Teil der Arbeit wird der erstinstanzliche Alltag
der unmittelbaren Nachkriegszeit dargestellt. Durch die vollständigen Verfahrensakten
Spruchkammerakten sowie Personalakten konnte ein sehr differenziertes Bild eines
erstinstanzlichen Ehescheidungsverfahrens vor dem Landgericht Amberg gezeichnet werden. Das
Landgericht Amberg passte sich auch in den bislang als unkritisch bewerteten Zivilverfahren
weitgehend der nationalsozialistischen Ideologie an und setzte die nationalsozialistische
Bevölkerungspolitik um. Die Personen die im Dritten Reich tätig waren traten auch nach dem
Ende des Dritten Reiches wieder in derselben Position in Erscheinung. Eine kritische
Selbstreflexion fand dabei nicht statt. Die Nazi-Richter konnten sogar auf ihren äußerst
positiven Personalbeurteilungen aus dem Dritten Reich aufbauen da Beförderungen nicht
rückgängig gemacht wurden und sie nach Durchlaufen der Schauverfahren der Entnazifizierung
wieder als lupenreine Demokraten galten.