In den Bibliotheken sind die Regale gefüllt mit Geschichten aus vielen Jahrhunderten draußen
in den Straßen aber wimmelt es von den neuesten Produkten unserer Fantasie. Diese lebendigen
Geschichten sind so sehr Teil von uns dass wir uns kaum Gedanken machen welche Rolle sie in
unserem Leben spielen: Es gibt sie als Gerücht Klatsch Witz Ausrede Anekdote als gewaltige
faustdicke Lüge und als kleine harmlose Notlüge alltägliche Erfindungen der Stoff aus dem
das Leben ist. Geschichten wuchern am Getränkeautomaten im Büro in der Kantine beim Friseur
in Taxis und Kneipen am Konferenztisch und im Schlafzimmer. Wir sind es gewohnt Geschichten
in Büchern zu lesen oder im Kino beziehungsweise im Fernsehen zu sehen und übersehen dabei
leicht dass unser Alltag prallvoll ist mit Geschichten: Geschichten voller Schwung voller
Erfindungsreichtum und Überzeugungskraft. Moderne Mythen sind Geschichten die weitererzählt
werden als beruhten sie auf wahren Erlebnissen (»Ich schwöre es ist einem Freund von einem
Freund von mir passiert.«) Der eigentliche Wert eines Mythos liegt darin dass er so oft
erzählt wurde bis der Plot perfekt war auf die gleiche Weise wurden Fabeln Märchen Rätsel
der Kinderreim und Sprichwörter zur Vollendung gebracht. Die Geschichte wurde unzählige Male
mündlich überarbeitet bis sie nicht mehr perfekter werden konnte. Als Leser sind wir
ausgesprochen plotorientiert. Es hat Autoren gegeben die Romane ohne Plot geschrieben haben
(manche haben damit auch Achtungserfolge erzielt) doch wir lieben einen guten Plot so sehr
dass wir nach einer kurzen Phase des Aufbegehrens zur hergebrachten Erzählweise zurückkehren.
Ich sage nicht dass der Plot der Mittelpunkt im Universum eines Schriftstellers ist doch er
gehört zu den beiden starken Kräften ¿ Figurenentwicklung ist die andere ¿ die alles andere
beeinflussen.