Im Zuge des Denkmalsturzes ehemaliger Sklavenhalter werden auch westliche Konzepte auf ihren
Beitrag zu Rassismus und Unterdrückung hin untersucht. Ein solches Konzept ist der fest im
europäischen Denken verankerte Begriff »Barbarei«. »Barbarei« ist der zentrale Begriff für die
Beschreibung anderer Völker die seit der Antike die Abwertung anderer Kulturen markiert und
immer wieder neu bestimmt wird. In der europäischen Geschichte ist »Barbarei« auf das Engste
mit dem Kolonialismus verbunden und muss somit als dessen Komplize und Erbe verstanden
werden.»Barbarei« steht für das »Andere« westlicher Ordnung und zivilisierter Werte. Man
beklagt damit furchtbare Verbrechen und verurteilt sie als moralisch besonders verwerflich.
Zurückgreifen können diese politischen Verwendungsweisen auf eine lange Geschichte
theoretischer Konzepte der »Barbarei«. Obwohl ein enger Zusammenhang zwischen »Barbarei« und
Kolonialismus besteht ist es bemerkenswert dass der Begriff im Alltag und in der Theorie
weiter verwendet wird - wenn auch in kritischer Absicht. Im Topos der »Barbarei« vereinen sich
über die Zeiten die Gegenbilder verschiedener Wertesysteme: der Vernunft des Christentums der
Humanität der Zivilisation der Kultur oder der Menschenrechte. Wie fand diese theoretische
und begriffsgeschichtliche Entwicklung statt? Oliver Eberl hat mit dieser Studie die
Dekolonisierung der Politischen Theorie zum Ziel die ihr Denken mit Blick auf den Staat und
seine Kritik vielfach von dem Begriffspaar »Naturzustand und Barbarei« anleiten lässt. Dazu
zeichnet er die Theoriegeschichte des Begriffs »Barbarei« nach. Im Zuge der neuzeitlichen
Staatsbegründung wurde »Barbarei« als Vergangenheit der europäischen Staaten verstanden und
Staatlichkeit vor dem Hintergrund der Gefahr des Rückfalls in den »Naturzustand« theoretisiert.
Zentral ist dabei die Verknüpfung mit dem europäischen Kolonialismus dem »Barbarei« von der
Antike bis zum 20. Jahrhundert zur Abwertung der Kolonisierten diente und der das »Barbarische«
als das Nichtstaatliche mit dem zu Kolonisierenden gleichsetzte. Die seit der Aufklärung
vollzogene Wende vom kolonialen zum kritischen Gebrauch sichert den theoretischen Stellenwert
des Begriffs bis heute. Diese Wende hat dem Begriff »Barbarei« einen festen Platz in unserem
Denken gesichert so die These des Autors. In der Auseinandersetzung mit den
Nationalsozialisten wurde der Begriff dann zum Platzhalter für die Kritik von
Menschheitsverbrechen. Dabei wurde verdrängt dass auch der Kolonialismus ein
Menschheitsverbrechen ist und als solches kritisiert werden muss. Eindrücklich verdeutlicht
Oliver Eberl wie fatal es für politische Theoriebildung ist in kritischer Absicht die
Wirkungsgeschichte des Kolonialismus zu verlängern.