Überblickt man die neuere Forschung zum Werk und Leben Walter Kempowskis (1929-2007) so drängt
sich ein Eindruck geradezu auf: Was wir von diesem Schriftsteller zu halten haben von seinem
Selbstverständnis und seinem Werk ja von seiner Stellung im Kontext der literarischen Moderne
nach 1945 und dem intellektuellen Milieu der Bundesrepublik überhaupt scheint längst noch
nicht ausgemacht. Eines der wichtigsten Medien dessen Untersuchung der weiteren Annäherung an
diesen in vielfacher Hinsicht noch unerkannten Autor dienen kann ist sein umfangreiches
Tagebuch- uvre das neben seinen Romanen und Textcollagen die dritte Säule seines Gesamtwerks
bildet.Die Beiträge dieses Bandes untersuchen das Tagebuch bei Kempowski unter drei Aspekten:
einmal als individueller Selbstausdruck des Dichters und Menschen Walter Kempowski in seiner
Zeit dann als poetisches Artefakt dessen Kompositionsprinzipien einer genuin modernen
Montage- und Collageästhetik folgen besonders markant im Echolot dem kollektiven Tagebuch des
Zweiten Weltkriegs und schließlich als ein werkstrategisches Instrument mit dem Kempowski auf
die öffentliche Wahrnehmung seiner Person und seiner Bücher gezielt Einfluss nehmen will. Mit
diesem mehrdimensionalen Ansatz zeichnet dieses Buch erstmals ein zugleich umfassendes wie auch
facettenreiches Porträt des Diaristen Walter Kempowski.Daneben enthält der Band drei längere
Interviews in denen Peter Kurzeck (in seinem letzten Gespräch) der Lyriker Nico Bleutge und
die Familie des Autors ihre persönlichen Perspektiven auf den Tagebuchschreiber Kempowski
schildern.