Die Baustelle als politischer Ort gesellschaftlichen Wandels und baukultureller Verankerung
stand im Mittelpunkt der Arbeit der Architektin Lina Bo Badi und der Grupo Arquitetura Nova. Im
Brasilien der Sechziger- und Siebzigerjahre waren sie bestrebt die Trennung zwischen
Entwurfsplanung und handwerklicher Umsetzung auf der Baustelle so weit wie möglich aufzuheben.
Lina Bo Bardi fasste Raum als einen von Menschen in einem kollektiven Prozess entworfenen und
produzierten Ort auf. In der Konsequenz verlegte sie ihre Tätigkeit direkt auf die Baustelle
um dort den Raum mit allen Sinnesorganen entwerfen und sozial verorten zu können. Ihre
konstante Präsenz hob die Trennung zwischen intellektueller und körperlicher Raumproduktion auf
die Baustelle wurde zum zentralen Vollzugsort einer alternativen Entwurfspraxis. Sérgio Ferro
Rodrigo Lefèvre und Flávio Império (Grupo Arquitetura Nova) hinterfragten konsequent die
Autorität des Bauplans. Auf ihren Baustellen sollte die Reißbrettzeichnung als Arbeitsanweisung
an die Arbeiter so weit wie möglich vermieden werden um stattdessen Raum für gemeinsame
Improvisation vor Ort zu schaffen. In seiner Forschung zu Tendenzen der brasilianischen
Architektur zwischen 1961¿¿und 1982 geht Richard Zemp auf die Spurensuche nach einer bislang
kaum untersuchten Entwurfsmethode.