Wer auf Nachrichten in sozialen Medien stößt und sie aufmerksam liest kann daraus lernen. Doch
ist diese Form der Zuwendung im Alltag auf Plattformen die entlang ökonomischer Interessen
optimiert sind realistisch? Die Arbeit untersucht das Potenzial sozialer Medien im Prozess des
politischen Informierens unter systematischer Berücksichtigung ihrer technologischen
Infrastruktur. Am Beispiel von Social-Media-Newsfeeds als plattformübergreifendem
Design-Element wird illustriert dass die implementierte "Infinite Scrollen"-Funktionalität
keine neutrale Technologie darstellt sondern ein Werkzeug um das unmittelbare Verhalten der
Nutzer:innen im ökonomischen Interesse der Plattformanbieter zu gestalten. Mit dem "Cycle of
Distraction" wird ein theoretisches Modell formuliert das erstmalig Befunde zur Persuasivität
von Technologie kommunikationswissenschaftliche Modelle (nicht-)intentionalen
Nachrichtenlernens sowie Befunde der psychologischen Gewohnheitsforschung integriert. Im
empirischen Teil werden Kernannahmen des Modells mittels ereignisbasiertem signalkontingenten
Experience Sampling das durch die tatsächliche App-Nutzung ausgelöst wird validiert. Die
Arbeit adressiert damit Forschungsbedarfe von fachlicher ebenso wie gesellschaftlicher
Relevanz: Aus theoretischer Sicht werden situative Prozesse während der Interaktion mit
sozialen Medien berücksichtigt um unmittelbare Einflusspotenziale der
Kommunikationsarchitektur auf das Verhalten zu skizzieren. Gleichzeitig werden Annahmen darüber
formuliert und empirisch geprüft wie sich ein situativ variables Verhalten im Zeitverlauf zu
Verhaltenstendenzen kumulieren kann. Auf diese Weise werden mittelbare gesellschaftliche
Konsequenzen individuellen Handelns in den Blick genommen die trotz situativer Funktionalität
(Bedürfnisbefriedigung) mittel- bis langfristig dysfunktional sein können. Technologie wird so
weder eine vollständige Determination unseres Verhaltens unterstellt noch naiv davon
ausgegangen dass eine durch gewinnorientierte Konzerne wie Facebook oder Google geprägte
technologische Informationsinfrastruktur keinerlei Konsequenzen für relevante gesellschaftliche
Aspekte wie die politische Informiertheit oder Kompetenzen im Umgang mit einer persuasiven
Technologie impliziert.