Bis heute hat sich eine allgemeine Bildwissenschaft nicht etabliert und die Frage welche Art
von Wissenschaft dies überhaupt wäre bzw. welche konkrete Gestalt sie haben könnte oder haben
sollte ist noch unbeantwortet. Die vorliegenden Ausführungen sind von der Auffassung geleitet
dass eine allgemeine Bildwissenschaft nur im Sinne eines disziplinenübergreifenden Unternehmens
möglich ist. Sie ist keine neue weitere Disziplin die neben die bereits ausgebildeten
Bildwissenschaften tritt sondern nichts anderes als der Theorierahmen der für die
unterschiedlichen relevanten Disziplinen ein integratives Forschungsprogramm liefert.Im
vorliegenden Band wird ein Vorschlag für einen solchen Theorierahmen unterbreitet. Er geht auf
einen einzigen systematisch zusammenhängenden Gedanke zurück dessen Kurzform lautet: Bilder
sind wahrnehmungsnahe Zeichen. Der Titel Allgemeine Bildwissenschaft lehnt sich daher zwar an
die sehr erfolgreiche Etablierung einer allgemeinen Sprachwissenschaft an und bringt die
Überzeugung zum Ausdruck dass eine ähnlich nachhaltige Entwicklung auch im Bildbereich möglich
ist. Damit ist aber nicht gesagt dass Bilder wie sprachliche Zeichen untersucht werden sollen
sondern dass ihre Erforschung nur im Verbund von semiotischen und wahrnehmungstheoretischen
Überlegungen möglich ist.Dieser systematische Zusammenhang legt in historischer Hinsicht nahe
dass es sich beim linguistic turn im Grunde genommen um einen semiotic turn gehandelt hat der
aber durch die traditionelle rationalistische Auszeichnung der höheren Erkenntniskräfte nur in
eingeschränkter Weise realisiert worden ist. Der noch ausstehende visualistic turn wäre demnach
ein Unternehmen mit dem das unvollendete Projekt des semiotic turn um zumindest eine der
sensuellen Formen der Welterschließung vervollständigt würde.