Eine herzbrechende Liebeserklärung an ein verschwindendes Medium. »Dahinter steckt immer ein
kluger Kopf.« David Wagner zu Michael Angeles Der letzte Zeitungsleser Zugegeben nicht jeder
Zeitungsleser ist so fanatisch wie Thomas Bernhard: Als er dringend einen Artikel in der NZZ
lesen wollte diese aber im heimischen Ohlsdorf nicht zu haben war machte er sich auf nach
Salzburg aber da gab es die Zeitung auch nicht. Also ging es nach Bad Reichenhall dann nach
Bad Hall dann nach Steyr und am Ende waren 350 Kilometer zurückgelegt auf der Suche nach dem
Suchtstoff. Manchen geht es nicht unähnlich wenn keine Zeitung zur Hand ist. Doch egal wie
stark die Sucht gar nicht so weniger auch sein mag - die Vielfalt der deutschsprachigen
Zeitungslandschaft ja die Tageszeitung an sich wird wohl nicht zu retten sein. Da geht etwas
verloren. Michael Angele (der u. a. Chefredakteur der ersten deutschen Internetzeitung war und
alles andere als neuerungsfeindlich ist) lässt mit wehmutsvoll wachem Blick Revue passieren
was alles verschwindet: nicht nur eine Nachrichtendarreichungsform nein - eine Kulturleistung
ja eine Lebensform. Das fängt bei der Umgebung an in der man seine Zeitung zu lesen pflegt
dem Ritual welchen Teil wann. Und geht weiter bei der durch das Blatt in Gang gesetzten (oder
verhinderten) Kommunikation am Frühstückstisch - manche Ehe wäre ohne Zeitung ganz anders
verlaufen. Und wie soll sich das Gefühl kosmopolitischer Weltläufigkeit einstellen wenn man in
einer New Yorker Hotellobby am Handy Spiegel Online statt die New York Times liest? Mit
Herzblut geschrieben mit Scharfsinn gefasst: Wenn einst das letzte Exemplar einer gedruckten
Zeitung vergilbt und zerfallen sein wird hat Michael Angele mit Der letzte Zeitungsleser der
Lebensform Zeitung schon längst ein Monument gesetzt.