Stettin (Szczecin) wurde im Rahmen des Potsdamer Abkommens von den Siegermächten des Zweiten
Weltkriegs dem polnischen Staatsgebiet zugeschlagen obgleich die Stadt westlich der als
deutsch-polnische Grenze vorgesehenen Oder-Neiße-Linie liegt. In der Folgezeit wurde die
deutsche Bevölkerung vertrieben. Auch für die wenigen jüdischen Verfolgten und Rückkehrer aus
den Lagern gab es in der Stadt keine Zukunft mehr. Im Zuge der Neubesiedlung Stettins siedelte
der polnische Staat im Frühjahr und Sommer 1946 etwa 28 000 polnische Juden an. Sie gehörten zu
den ca. 230 000 polnischen Juden die den Holocaust in der Sowjetunion überlebt hatten. Im Zuge
der sogenannten Repatriierung polnischer Staatsbürger aus der UdSSR wurde ein Großteil von
ihnen ab dem Frühjahr 1946 in den vormals deutschen Gebieten angesiedelt.Die Studie untersucht
die politischen Hintergründe der Ansiedlung in Stettin sowie den Status der Stadt und ihres
Umlands als jüdisches Siedlungsgebiet (Jischuw). Zunächst liegt der zeitliche Fokus auf den
ersten Monaten nach der Ankunft der Juden. Wie die zahlreich einbezogenen Ego-Dokumente der
Betroffenen zeigen war diese Zeit im Wesentlichen geprägt durch die schwierigen
Lebensbedingungen das Gewahrwerden des Verlustes von Angehörigen und der jüdischen
Vorkriegslebenswelten die Kontaktaufnahme mit Angehörigen im Ausland sowie ein Klima
antisemitischer Gewalt. Insbesondere Letzteres veranlasste viele der in Stettin angesiedelten
Juden die Stadt schon nach wenigen Monaten wieder zu verlassen und sich auf die Flucht nach
Westen zu begeben von wo aus man nach Palästina zu gelangen versuchte. Im weiteren Verlauf der
Studie wird die Entwicklung der jüdischen Gesellschaft in Stettin bis zum Jahr 1950 betrachtet
als die Stalinisierung des Landes die politische soziale und kulturelle Autonomie der
jüdischen Bevölkerung und ihrer Institutionen nach und nach marxistisch-leninistischen
Denkmustern unterwarf und schließlich fast gänzlich einschränkte.