Nach der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren im März 1939 wurde schrittweise die
Lebensmittel- und Güterrationierung eingeführt was einen tiefen Einschnitt in die
Wirtschaftspraktiken der lokalen Bevölkerung darstellte. Jan Vondrácek zeichnet die Geschichte
der alltäglichen Implementierung der neuen Gesetze Kundmachungen und Regierungsverordnungen
'vor Ort' durch die Beamten am Beispiel des politischen Bezirks Kladno nach. Er entwickelt
dabei einen innovativen Ansatz serielle Quellen der lokalen Verwaltung für Fragestellungen der
Alltagsgeschichte zugänglich zu machen. Durch die Verwendung einer eigens für das der Arbeit
zugrunde liegende umfangreiche Quellenkorpus programmierten Software ist er in der Lage
sämtliche Übertretungen der geltenden Vorschriften auf dem Gebiet der gelenkten Wirtschaft im
Bezirk Kladno in einer digitalen Datenbank zu erfassen und mit zahlreichen weiteren Quellen
anderer Gattungen zu verknüpfen. Dadurch wurde es möglich eine komplexe Geschichte der
deutschen Besatzungsherrschaft im Protektorat zu schreiben. Sichtbar treten in dieser Studie
die Wechselbeziehungen zwischen deutschen und tschechischen Akteuren sowie ihre
Handlungsspielräume zu Tage aber auch die Wirtschaftspraktiken der einheimischen Bevölkerung
mit ihren Aneignungs- und Aushandlungsprozessen werden erkennbar. Dank dieses Ansatzes kann die
Studie nachweisen dass im Protektorat ein Normenstaat entstand in dem eine ganze Reihe der
Forschung bisher völlig unbekannter Akteure in erster Linie die mit tschechischen Beamten
besetzten Institutionen wie die Bezirksämter die Böhmisch-Mährischen Verbände und die Oberste
Preisbehörde für die Implementierung der gelenkten Wirtschaft vor Ort im Protektorat Böhmen
und Mähren tätig waren.