Shanzhai so heißt der chinesische Neologismus für Fakes. Es existieren nun auch Ausdrücke wie
Shanzhaiismus Shanzhai-Kultur oder Shanzhai-Geist. Shanzhai erfasst in China inzwischen alle
Lebensbereiche. Es gibt Shanzhai-Bücher einen Shanzhai-Nobelpreis Shanzhai-Filme
Shanzhai-Abgeordnete und Shanzhai-Stars. Von diesem genuin chinesischen Phänomen ausgehend
dekonstruiert Byung-Chul Han das westliche Konzept des Originals und definiert die Kunst die
Schöpfung und die Kreativität neu. Han formuliert hier letztlich ein Daseins- und Denkmodell
das dem Westen wundersam erscheint.'Im klassischen Chinesisch heißt das Original zhen-ji (30495
36321 ). Wörtlich bedeutet es die 'echte Spur'. Es handelt sich um eine besondere Spur denn
sie verläuft auf keiner teleologischen Bahn. Und ihr wohnt kein Versprechen inne. Mit ihr
verbindet sich auch nichts Enigmatisches oder Kerygmatisches. Außerdem verdichtet sie sich
nicht zu einer eindeutigen eingestaltigen Präsenz. Vielmehr dekonstruiert sie die Idee jenes
Originals das eine unverwechselbare unveränderliche in sich ruhende Präsenz und Identität
verkörpert. Prozessualität und Differenzialität verleihen ihr eine dekonstruktive Fliehkraft.
Sie lässt kein abgeschlossenes in sich ruhendes Kunstwerk zu das eine endgültige Form besäße
und sich jeder Veränderung entzöge. Ihre Differenz zu sich lässt es nicht zu einem Stillstand
kommen in dem es seine endgültige Gestalt bekäme. So lässt sie es immer von sich abweichen.
Die chinesische Vorstellung des Originals als Spur (ji 36321 ) weist die Struktur jener
Freud'schen 'Erinnerungsspur' auf die einer ständigen Umordnung und Umschrift unterworfen ist.
Nicht eine einmalige Schöpfung sondern der endlose Prozess nicht die endgültige Identität
sondern die ständige Wandlung bestimmt die chinesische Idee des Originals. Der Wandel erfolgt
allerdings nicht innerhalb einer Seele einer Künstlersubjektivität. Die Spur löscht sie
zugunsten eines Prozesses der keine essentialistische Setzung zulässt.'