Dass ein Mensch sich freiwillig einen Finger abschneidet abhackt oder absägt (z.B. für einen
Versicherungsbetrug aus ganz rationaler finanzieller Motivation) entzieht sich landläufig der
Vorstellungskraft und zwar auch der der meisten Mediziner Kriminalisten und Juristen.
Selbstbeschädigungen sind jedoch aus sehr unterschiedlicher Motivation häufiger als vermutet
z.B. rituell oder religiös motiviert bei kriminellen Banden beim Militär (insb. unter
Kriegsbedingungen) sowie im Gefängnis. Im Hinblick auf die Unfallversicherung führen
Selbstbeschädigungen wenn sie als solche nicht erkannt und also nicht entsprechend behandelt
oder sanktioniert werden zu einer erheblichen Belastung der Gefahrengemeinschaft aller
Versicherten wobei derartige Fälle in allen sozialen Schichten vorkommen. (Anfang der 90er
Jahre sorgte eine speziell für Ärzte angebotene Unfallversicherungspolice wegen ihrer
spektakulären Schadensträchtigkeit für erhebliches Aufsehen.) Die Autoren schildern Art und
Umfang der Problematik sowie die rechtlichen Aspekte Schwerpunkt ist die gutachterliche
Fallanalyse von amputierenden Fingerverletzungen. Detailliert dargestellt (mit ausführlicher
Fotodokumentation) wird das Verletzungsmuster und die Rekonstruktion von 27 einzelnen Fällen
die eine plastische Vorstellung vom Geschehensablauf Tätern bzw. Opfern Problemen der
Tatrekonstruktion und Beweisführung vermitteln. Eine ungewöhnliche und sich vordergründiger und
eingefahrener Denkweise entziehende Phenomenologie menschlicher Verhaltensweisen und deren
Motivation ist ebenfalls Teil des Buches. Anliegen der Autoren ist bei der ärztlichen
Untersuchung von Verletzungen eine exakte Befunderhebung und sorgfältige Dokumentation
sicherzustellen weil die frühestmögliche zutreffende Diagnosestellung entscheidende
therapeutische Konsequenzen hat und zugleich die Prävention weiterer Fälle ermöglicht. Die
ärztliche Begutachtung bei fraglicher Selbstbeschädigung ist für Juristen ein wichtiger
Baustein ihrer Bewertung. Für die Versicherungsunternehmen sind derartige ärztliche Gutachten
auch schon vorprozessual von richtungsweisender Bedeutung um die Fallkonstellation zu
beurteilen und das Prozessrisiko einzuschätzen. Bei nachgewiesener Selbstbeschädigung in
Betrugsabsicht handelt es sich um relevante Straftaten. Daher sollten auch Kriminalisten mit
den Möglichkeiten und Grenzen der medizinischen und technischen Rekonstruktion vertraut sein.