Madame Realism ist eine Figur die von der US-amerikanischen Schriftstellerin und
Kulturkritikerin Lynne Tillman (*1947 in Woodmere Long Island) erschaffen wurde. Seit dem
ersten öffentlichen Auftritt dieser fiktiven Kunstkritikerin 1986 in der Zeitschrift Art in
America erschienen 17 Texte. Als Protagonistin der Geschichten driftet Madame Realism zwischen
Fakt und Fiktion zwischen New York und Umwelt ihrer Wohnung im East Village und der sie
umgebenden Großstadt zwischen Kunstwerken und Kontexten Gesellschaft und ihren Randgebieten
Repräsentation und dem Nicht-Repräsentierten. Sie ist eine Agentin des Zweifels der stetigen
Bewegung zwischen möglichen Standpunkten. An ihrem Beispiel wird nachvollzogen wie sich in
diesem Drift zwischen kritischem und erzählerischem Anspruch ein besonderes Potenzial für die
Annäherung an den Gegenstand der Kritik Kunst entwickeln lässt. Welche Funktion übernimmt
diese Figur für das kritische Anliegen von Tillman? Welche Rolle spielt die Kunst für Madame
Realisms Unternehmung? Ihre kritische Auseinandersetzung mit der Kunst und der Welt entfaltet
sich im Leseakt in der Imagination der Rezipient*in die eine Fährte zu einer Sichtweise legt
dank der wir die Realität die wir sehen und erfahren als gestaltet und somit auch als
veränderbar wahrnehmen können. In dieser Verquickung von Kritik und Imagination liegt Madame
Realisms gegenwärtige Relevanz. Sie macht die Komplexität des Lebens und der Kunst erfahrbar
ohne uns etwas erklären zu wollen weshalb ihre Erzählungen auch nie so wirken als würde sie
damit einen didaktischen Ansatz verfolgen. Eine Zweiflerin wie Madame Realism können wir immer
und auch gerade jetzt gut gebrauchen.