Aus der Unzufriedenheit mit der Universitätsphilosophie seiner Zeit in Kritik und Kontrast zu
ihr entwickelt Ferdinand Tönnies (1855-1936) sein System der Soziologie das wie ein Monolith
in der Geisteslandschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts steht und nur sehr zeitverzögert
seine lang andauernde Wirkung entfaltet. Erst spät wird deutlich dass es sich hierbei um den
Gründungstext der Soziologie im deutschsprachigen Raum handelt zu komplex und ineinander
verschränkt sind seine inhaltlich weit ausholenden Argumentationsstrukturen die ihre Wurzeln
gleichermaßen in der mittel- wie in der westeuropäischen Dogmengeschichte haben. Cornelius
Bickel gelingt es der Vielschichtigkeit dieser Wurzeln deren Kenntnis für ein tiefergehendes
Verständnis der Begriffsarchitektur von Tönnies unentbehrlich ist nachzuspüren und in
nachvollziehbarer Darstellung gerecht zu werden. Tönnies' Abgrenzung zu Arthur Schopenhauer
Thomas Hobbes und Baruch Spinoza obwohl er ihnen inhaltlich so viel verdankt wird
rekonstruiert sein Verhältnis zu Max Weber und Georg Simmel seine Vorbehalte gegenüber
Heinrich Rickert und Wilhelm Dilthey seine durchaus widersprüchliche Abgrenzung zu Herbert
Spencer insbesondere aber zu Otto Ammon und Wilhelm Schallmayer in Fragen der
Evolutionsbiologie und Eugenik - all das wird nachgezeichnet und erläutert. Viele
rechtshistorische Einsichten die in sein soziologisches System konstitutiv eingeflossen sind
wenngleich auch hier immer in kritischer Distanz verdankt Tönnies Texten von so
unterschiedlichen Autoren wie Rudolf Ihering Otto von Gierke und Henry Sumner Maine.
Entscheidenden Einfluss hatten auch ihm nahestehende Freunde und Lehrer wie Friedrich Paulsen
Wilhelm Wundt und Harald Høffding. Zum Abschluss seiner Studie arbeitet Cornelius Bickel die
seinerzeit tagesaktuellen kategorialen Differenzen und partiellen Analogien zwischen Tönnies
einerseits und Oswald Spengler sowie Helmuth Plessner andererseits heraus. Dem Buch beigefügt
ist ein umfangreiches Nachwort von Arno Bammé zur Tönnies-Rezeption in Deutschland nach 1945 -