Auch wenn der Titel der vorliegenden Monographie von Tönnies es nahelegt: um eine Darstellung
seiner soziologischen Willenstheorie im eigentlichen Sinn handelt es sich nicht. Vielmehr ist
beabsichtigt eine kritische Nachuntersuchung der Analyse des empirisch begründeten Begriffs vom
Wollen durch Christoph Sigwart dem Verfasser einer wie Tönnies sagt mit Recht sehr
geschätzten Logik (1873 und 1878) der das schwierige Thema mit gehöriger Kraft anfasst.Dadurch
dass sie die Kenntnis der Willenstheorie wie Tönnies sie im Zweiten Buch seines Jugend- und
Hauptwerkes Gemeinschaft und Gesellschaft (1887) entwickelt hat eigentlich voraussetzt wird
die Lektüre seiner Kritik an Sigwart nicht gerade erleichtert. Gleichwohl ist sie sinnvoll und
ertragreich weil Tönnies die Auseinandersetzung nutzt um seine eigene Terminologie und ihre
theoretische Begründung zu schärfen und zu vertiefen so zum Beispiel wenn er die
erkenntnistheoretisch ohnehin schon höchst abstrakt konzipierten Begriffe seiner reinen
Soziologie Gemeinschaft Wesenwille und Gesellschaft Kürwille noch eine Abstraktionsstufe
höher ansetzt und nun vom Typus A und Typus B spricht Kategorien die keinerlei Kontamination
mit Vorstellungen des Alltagsverstandes mehr zulassen und dadurch der Gefahr von
Missverständnissen vorbeugen.Dass Tönnies sich exklusiv auf Sigwart bezieht ein bedeutender
Philosoph und Erkenntnistheoretiker seiner Zeit ist nicht ohne Grund. Auch der österreichische
Sozialwissenschaftler Rudolf Goldscheid der nahezu zeitgleich an einer soziologischen
Willenstheorie (1905) arbeitete verweist in seiner Argumentation verschiedentlich auf Sigwart.
Fragen der Logik sowie der Ethik zentrale Schwerpunkte im philosophischen Werk Sigwarts
standen auch im Zentrum des soziologisch fokussierten Interesses von Tönnies und Goldscheid
wodurch sich inhaltliche Überschneidungen ergaben mit Arbeiten von Sigwart über Spinoza (1866)
über eine empirisch und psychologischbegründete Ethik (1886) über die Logik (1873 und 1878)
sowie über eine Psychologie des Willens (1881).