Wer von der sowjetischen Film-Avantgarde spricht meint meist das revolutionäre Kino der 1920er
und 1930er Jahre das der erste Band der Klassiker des russischen und sowjetischen Films
thematisierte. Doch auch in der Zeit nach Stalins Tod bis zum Ende der UdSSR (und darüber
hinaus) entstanden Meisterwerke etablierten sich große Regienamen gab es ästhetische
Höhepunkte und Experimente - beginnend mit der Epoche des kulturellen Tauwetters Ende der
1950er Jahre. Der sowjetische Film gewann wieder weltweit Aufmerksamkeit und warf als anderes
Kino jenseits des Eisernen Vorhangs nicht nur einen schonungslosen Blick auf die Verheerungen
des deutschen Vernichtungskriegs (wie man ihn im Westen selten zu sehen bekam) er befragte in
den Genres der satirischen Komödie der allegorischen Science Fiction des kämpferischen
Dokumentarfilms der poetischen Animation oder der versierten Literaturverfilmung auch den
jeweiligen Zustand der eigenen sozialistischen und multinationalen Gesellschaft. Von Kalatozov
über Bondarcuk Romm und Chuciev bis zu Tarkovskij Sepit'ko German und Muratova erschließt
der nun vorliegende zweite Band anhand 22 ausgewählter Schlüsselfilme einen der produktivsten
Kino-Kontinente aller Zeiten: vier Jahrzehnte in denen ein Massenmedium gefördert wurde und
Perlen des Autorenkinos entstanden. Ob Staatskünstler oder Zensuropfer - aus heutiger Sicht
lässt sich sagen: Es gab einmal ein Kino das politisch sozial und persönlich Bedeutung hatte.